„Hairy Popper und die Kammer des Schleckens“
„In Diana Jones“
„Edward mit den Penishänden“
„Spiel mir am Glied bis zum Tod“
„Baffy, die Dildo-Jägerin“
Was hat es mit diesen Bezeichnungen auf sich? Es handelt sich um Titel von Pornos. Wir alle haben in unserer Jugend sicher den einen oder anderen konventionellen Porno geschaut, doch irgendwann habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Ich finde Pornos durchaus erregend, aber eben nicht solche Produktionen, in denen es nur um die Lust des Mannes geht, während normschöne Frauen mit perfekten Körpern durchs Bild springen und um die Wette stöhnen.
Deshalb (und weil ich einfach sehr privilegiert aufgrund meines Jobs bin) stehe ich an einem frühen Morgen im September vor einem wunderschönen Altbau in Berlin-Schöneberg und warte darauf, dass sich die Tür öffnet. Heute ist ein besonderer Tag und ich tue etwas, das ich in meinen 33 Jahren Lebenszeit bisher noch nicht gemacht habe: Ich bin heute zu Besuch an einem Porno-Set von CHEEX. CHEEX bietet und produziert ethisch korrekten Porn. Es gibt keine Standardregeln für ethische Pornproduktionen, sodass jede Brand für sich selbst die Kriterien festlegt.
CHEEX achtet bei allen Produktionen und Lizenzierungen auf die folgenden Regularien:
- nur Darsteller*innen über 18 Jahren sind beteiligt
- die Darsteller*innen tun das, wozu sie aktiv ihre Zustimmung gegeben haben
- die Produktionsumstände sind im Vorfeld transparent (z. B. Gehalt der Darsteller*innen, sexueller Gesundheitszustand, Arbeitsbedingungen usw.)
- verschiedene Geschlechter, Vorlieben und Menschen sollten in der Gesamtkuration der Inhalte vertreten sein
- keine Wiedergabe von schädlichen Stereotypen oder anderen Formen der Diskriminierung
- eine Vielzahl von Sexualpraktiken und unterschiedlichen Wünschen für eine Diversität von Menschen werden dargestellt
Eigentlich sind das Punkte, die jede Pornoproduktion erfüllen sollte. Aber wer sich beim Schauen von Pornos mal genauer mit den Szenen auseinandersetzt, merkt zum Beispiel, dass viele Pornodarsteller*innen ziemlich normschön sind. Damit meine ich, dass Männer „sehr männlich“ sind, also breite Schultern und einen muskulösen Körper haben. Frauen entsprechen den gesellschaftlichen Schönheitsidealen, sind demnach schlank und haben gut proportionierte Brüste und keine behaarte Vulva. Zudem wirken die Sexszenen auf mich so, als ginge es allein darum, dass die Frau die Lust des Mannes erfüllt – und da bin ich persönlich raus.
Umso gespannter bin ich, wie CHEEX es schafft, nicht in diese Falle zu treten, sondern stattdessen Inhalte zu produzieren, die keine Stereotypen wiedergeben und dennoch bei Menschen Erregung auslösen.
Pornodreh in der eigenen Wohnung
Photo by @helens_archivesOhne es zu wissen, komme ich auf dem Weg in die Wohnung am ersten Set vorbei: dem Treppenhaus. Wie ich später erfahre, beginnt der Porn Clip damit, dass eine Performerin die Treppe hochgeht und die Wohnung betritt. In der besagten Wohnung begrüßt mich Helen, Produktionsassistentin von CHEEX. Fun Fact: Die Wohnung, in der heute gedreht wird, ist ihre. Dort wohnt sie mit mehreren Mitbewohner*innen, die allesamt okay damit sind, dass ihr Zuhause zwei Tage lang einem Ausnahmezustand gleicht: In Helens Zimmer, in dem die Sexszene stattfindet, ist alles abgedunkelt, im Raum davor stehen Möbel und allerlei Krams, die es nicht ins Set geschafft haben. Kamera-Equipment, wo man hinblickt, und zwei Katzen, die auf keinen Fall aus der Wohnung laufen oder aus dem Fenster springen dürfen. Challenging … Und trotzdem keine Spur von Chaos oder Angespanntheit. Ich bin überrascht und fühle mich nicht so, als würde hier gleich nebenan ein Porno gedreht werden.
Meine erste Erkenntnis: Zu einem Pornodreh gehören anscheinend Ruhe und Geduld – beides nicht unbedingt etwas, für das ich bekannt bin.
(Auch) ein Pornodreh braucht Consent und einen Intimacy Coordinator
In der Küche lerne ich Charis kennen. Sie ist für die Produktion zuständig und ist heute auch die Intimitätskoordinatorin – etwas, von dem ich bis heute gar nicht wusste, dass es existiert. Als Intimacy Coordinator checkt sie mit den Performer*innen ein, bevor es spicy und intim wird. Sie erklärt mir, dass die Performer*innen grundsätzlich immer die Möglichkeit haben, nein zu sagen und ihre Meinung zu ändern, wenn sie sich nicht wohlfühlen. Damit es gar nicht so weit kommt, setzt CHEEX auf viele Feedback-Runden und Check-ins. Die Performer*innen erfahren so weit wie möglich im Voraus, mit wem sie drehen – so können sich alle untereinander kennenlernen und in sich hineinfühlen, welche Sexpraktiken sie vor der Kamera zeigen möchten. All das wird genauestens in einem Vertrag festgehalten. Am Drehtag tauschen die Performer*innen aktuellste Tests auf STIs (sexual transmitted infections, also sexuell übertragbare Krankheiten) aus, und bevor es ans Drehen der Kuss- und Sexsezenen geht, bespricht sich die Intimitätskoordinatorin mit den Performer*innen.
Soweit sind wir heute aber noch nicht. Im Hausflur wird gerade eine Szene mit July gedreht, eine der zwei Performerinnen des heutigen Drehs. Da gibt’s für mich noch nicht allzu viel zu sehen, davon mal abgesehen, dass ich eh die ganze Zeit das Gefühl habe, im Weg zu stehen. Deshalb bleibe ich in der Küche und schaue Layana zu, die fürs Make-up zuständig ist und die zweite Performerin des Tages schminkt: Serafina. Charis und sie sprechen über feministische Literatur und Feminist Porn. Darüber recherchiert Serafina aktuell für ihr Studium und kam so zum Porno. Ziemlich starker Einsatz, sich so intensiv mit solch einem intimen Thema zu befassen. Aber wie soll man sonst nachvollziehen können, wie es sich als Frau anfühlt, einen Porno zu drehen? Geschweige denn, was es braucht, damit das Set ein Safe Space ist? Und das ist meine zweite Erkenntnis: Wüsste ich nicht, dass es sich hier um ein Porno-Set handelt, dann könnte es auch ein ganz gewöhnliches Work-Meeting sein. Alle Beteiligten sind so nett und sanft zueinander und die Atmosphäre ist total entspannt und liebevoll, dass ich mir fast wünsche, auch dort zu arbeiten.
It’s getting hot in here!
Als July fertig mit der Szene im Treppenhaus ist, schmeißt Charis alle Anwesenden aus dem Raum. In kleiner Runde spricht sie mit den beiden Performerinnen und der Regisseurin Lina über die heutigen Sexszenen. Sie nehmen sich dafür viel Zeit und das finde ich nur richtig: Wenn man vor der Kamera Sex hat, dann sollte nichts Unvorhersehbares geschehen, und alle Beteiligten sollten zu jeder Zeit die Kontrolle über die Situation haben. Und gleichzeitig nimmt mir der Blick hinter die Kulissen etwas die Magie von Pornos – nicht im negativen Sinne! Eher so, als hätte ich auf einmal eine viel realistischere Vorstellung von dem, was hinter der Kamera passieren muss, damit es vor der Kamera sexy Vibes gibt, die bei den Zuschauenden Erregung auslösen.
Die Küchentür öffnet sich und wir starten mit dem Dreh der Making Out Szene – ich darf tatsächlich dabei bleiben! Und es ist ziemlich eng, denn es befinden sich einige Menschen im Raum, die dafür sorgen, dass man sich die Szene irgendwann zu Hause anschauen kann: Neben Lina (Regisseurin) und Charis (Production & Intimitätskoordinatorin) sind dort auch Jara (Kamera), Janne (Licht) und Francesca (Ton). Lina gibt den beiden Performerinnen einige Anweisungen („… but make it look casual.“) und dann geht’s los! Ich bin sprachlos, denn sofort merkt man den Vibe zwischen July und Serafina. Die beiden küssen sich intensiv und es wird ein kleines bisschen heißer im Raum. Alle Beteiligten scheinen sich wohlzufühlen und die einzelnen Szenen sind nach wenigen Versuchen im Kasten. Es scheint mir irgendwie alles sehr reibungslos zu funktionieren. Und das ist meine dritte Erkenntnis des Tages: Es braucht kein Chaos oder viel Druck, um einen guten Porno zu drehen. Tatsächlich funktioniert der Dreh von CHEEX deshalb so gut, weil alle darauf achten, dass sich die beiden Performerinnen wohlfühlen. Und das scheint das Geheimnis zu sein, denn die Making Out Szene ist auf jeden Fall hot.
Mit einem lachenden und weinenden Auge
Und damit endet mein Erlebnis schon, denn die eigentliche Sex-Szene wird hinter verschlossenen Türen gedreht. Das geschieht zum Schutz der Performerinnen, die eh schon vor mehreren Menschen auf Knopfdruck Sex haben. Bei manchen Drehs gibt es in einem anderen Raum einen Screen, auf den die Szenen übertragen werden. So können die anderen involvierten Personen den Dreh verfolgen, für die Performer*innen bleibt das Set aber ein Safe Space. Leider gibt es heute keinen extra Screen und so verlasse ich das Set.
Ich befürchte, dass es nicht an jedem Set so liebevoll und achtsam zugeht, egal ob beim Porno oder jeder anderen Film-Produktion. Umso dankbarer bin ich, Teil dieser Bubble in Berlin zu sein. Brands aus dem Bereich Sexual Wellness & Pleasure müssen oft mit Vorurteilen kämpfen, und ich wünsche mir, jede Person würde einmal die Chance bekommen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Um so hautnah mitzubekommen, wie wir Mitarbeitende uns täglich für sexuelle Aufklärung einsetzen. Und dass Sex, Sextoys und Pornos für viele Menschen zum Alltag gehören.
Ich gehe mit vielen positiven Eindrücken nach Hause – und einer kleinen Träne im Auge, weil ich nicht den gesamten Pornodreh miterleben konnte. Umso gespannter bin ich auf den Release dieses Pornos. Stay tuned!