Gaslighting – wenn Lügen die Realität bestimmen

Gaslighting – traurige Frau
(Bild: Engin Akyurt/Unsplash)

„Der Typ gaslightet Dich voll, der gibt mir richtige Narzissten-Vibes mit seinem toxischen Verhalten“.

In unserem alltäglichen Sprachgebrauch finden sich immer mehr Fachbegriffe aus der Psychologie wieder – ein Zeichen dafür, dass das gesellschaftliche Bewusstsein für mentale Gesundheit und das Verständnis von psychischem Missbrauch wächst. Das ist zunächst erfreulich, denn wenn wir offener über diese Themen sprechen, können wir emotionalen Missbrauch besser erkennen und bekämpfen. Gleichzeitig bauen sich so auch Stigmata für Opfer kontinuierlich ab. Doch dieser offene Umgang hat auch seine Kehrseite: Wir verwenden Begriffe wie „toxisch“ oder „trigger“ oft unbedacht und inflationär. Das führt dazu, dass psychische Gesundheit und missbräuchliches Verhalten nicht einfach enttabuisiert, sondern bagatellisiert werden – ihre Bedeutung wird so abgeschwächt.

Nicht jeder Mensch, der sich in einer Situation egoistisch verhält, hat eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und wenn jemand ein Ereignis anders wahrnimmt, als Du, bedeutet das nicht, dass Dich die Person manipulieren will. Gaslighting ist eine perfide Form von psychischer Gewalt und kann schwerwiegende Folgen für Betroffene haben. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was Gaslighting wirklich ist und wie Betroffene den Teufelskreis aus Manipulation und Abhängigkeit erkennen und sich daraus befreien können.

Gaslighting: Das steckt hinter dem Begriff

Gaslighting ist kein neues Phänomen und hat seinen Namen von dem Theaterstück „Gas Light“ aus dem Jahr 1938. Darin versucht ein Mann sukzessive, seine Ehefrau in den Wahnsinn zu treiben, indem er sie immer wieder an ihrer Wahrnehmung zweifeln lässt. So versucht er ihr unter anderem einzureden, dass sie sich das von ihm verursachte Flackern des Gaslichts nur einbildet. Genau diesen Mechanismus verstehen wir heute unter „Gaslighting“: Menschen werden dabei gezielt und über eine längere Dauer manipuliert und getäuscht, sodass sie beginnen, ihre Wahrnehmung anzuzweifeln. Das Ziel davon? Kontrolle. Je unsicherer das Opfer durch Gaslighting wird, umso stärker wird die emotionale Abhängigkeit von der gaslightenden Person. Gaslightende Personen sichern sich so ihre Macht über Situationen, können beispielsweise unangenehme Konflikte beenden oder Schuld gezielt von sich weisen, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Die Folgen für Betroffene können gravierend sein: Unsicherheit und dadurch erhöhte Anfälligkeit für „Fehler“ sind nur der Anfang, denn über lange Zeit gegaslightet zu werden, kann unter anderem zu sozialer Isolation und Einsamkeit und Depressionen oder Angststörungen führen.

Gaslighting: Theaterstück
(Bild: Alex Wolowiecki/Unsplash)

Gaslighting-Taktiken und wie Du sie erkennst

Doch wie zeigt sich Gaslighting konkret? Die Manipulationstaktiken von Gaslighter*innen sind vielfältig, dennoch gibt es gewisse Verhaltensweisen und Äußerungen, die typisch für den psychischen Missbrauch sind. Wenn Dir die folgenden Bemerkungen bekannt vorkommen, dann lohnt es sich, die Dynamik zwischen Dir und der potenziell gaslightenden Person genauer unter die Lupe zu nehmen und Dich zu fragen, ob es hier ein Muster geben könnte.

Gut zu wissen: Gaslighting geschieht zwar oft in Liebesbeziehungen, kann aber auch in anderen Kontexten geschehen, beispielsweise in Freundschaften oder bei der Arbeit.

Gefühle herunterspielen

  • „Du reagierst wieder über, das war nur ein Witz, sei doch nicht immer so sensibel.“
  • „Du bist viel zu hysterisch, mach doch nicht wieder so ein Drama.“
  • „Du bist doch jetzt nicht ernsthaft gekränkt, nur weil ich das gesagt habe?“

„Beruhig Dich doch mal, das ist doch nicht so schlimm.“

Die Schuld von sich auf andere weisen

  • „Das ist alles Deine Schuld.“
  • „Das Problem bin nicht ich, sondern Du.“
  • „Wenn Du mich wirklich lieben würdest, würdest Du das für mich tun.“
  • „Du zwingst mich mit Deinem Verhalten dazu, Dich so zu behandeln.“

Fürsorge vorschieben, auch in Momenten, in denen Du Dich eigentlich gut fühlst

  • „Ist alles okay? Du wirkst wieder sehr verwirrt.“
  • „Du brauchst dringend Hilfe.“
  • „Was ist denn jetzt schon wieder los?“
  • „Ich mache mir echt Sorgen deinetwegen.“

Ereignisse und Aussagen leugnen

  • „Quatsch, das ist doch nie passiert, das hast Du falsch in Erinnerung.“
  • „Woher soll ich das denn wissen? Du hast mir das nie gesagt.“

„Das habe ich nie gesagt, Du drehst mir die Worte im Mund um.“

Isolieren von Freund*innen und Familie

  • „Alle anderen sehen das genauso wie ich und sind genervt von Dir.“
  • „Deine Freund*innen verbringen doch nur aus Mitleid Zeit mit Dir.“
  • „Niemand außer mir kann Dich leiden, nicht mal Deine Familie.“

Abwertung und klein machen

  • „Du kriegst das eh wieder nicht auf die Reihe.“
  • „Traust Du Dir das wirklich zu? Das kriegt nicht einfach jede*r hin.“

„Du kannst das nicht alleine, am Schluss muss ich wieder alles für Dich machen.“

Therapiesitzung
(Bild: Priscilla Du Preez/Unsplash)

Unsicher, ängstlich, hoffnungslos: So fühlt sich Gaslighting an

Umgekehrt gibt es auch einige Indizien aus der Opferperspektive, die Hinweise auf Gaslighting liefern können. Folgende Check-List kann dabei helfen, den psychischen Missbrauch zu erkennen – ist aber kein Ersatz für die Einschätzung einer Fachperson, denn die aufgelisteten Gedanken und Gefühle müssen nicht zwingend auf Gaslighting zurückzuführen sein.

Erkennst Du Dich in folgenden Aussagen wieder?

  • Du hinterfragst Deine Wahrnehmung ständig und traust Dir selbst nicht mehr.
  • Du entschuldigst Dich sehr häufig, selbst, wenn es keinen richtigen Grund dazu gibt.
  • Du entschuldigst das Verhalten Deines*r Partner*in oft vor Freund*innen und Familie.
  • Du lügst oder hältst Informationen zurück, um Konfrontationen mit Deinem*r Partner*in zu entgehen.
  • Du fühlst Dich, als wäre etwas falsch mit Dir und als könntest Du nichts richtig machen.
  • Du fühlst Dich hoffnungslos.
  • Selbst einfache Entscheidungen fallen Dir schwer und verunsichern Dich.
  • Du hast Angst davor, Fehler zu machen, egal wie klein sie sind.
  • Du fragst Dich ständig, ob Du gut genug bist und hast Angst, alle zu enttäuschen.
  • Du ziehst Dich zurück und vermeidest den Kontakt zu anderen, auch zu Dir nahestehenden Personen.

Grenzen schützen Dich

Eine Beziehung, in der Gaslighting zum Alltag gehört, kann auf lange Sicht nicht funktionieren und die Folgen einer solchen missbräuchlichen Dynamik werden sich auch auf andere Lebensbereiche auswirken. Opfer von Gaslighting werden zunehmend unsicher, was wiederum oftmals zu Schusseligkeit, Konzentrationsproblemen oder Fehleranfälligkeit führt. Wie in einem Teufelskreis verstärkt dies das Unsicherheitsgefühl umso mehr. Doch die Auswirkungen von Gaslighting sind auf lange Dauer noch viel gravierender: Abhängigkeit, aber auch Angststörungen, Depressionen und Suizidgedanken* sind folgenschwere Resultate des psychischen Missbrauchs.

Sich aus einer solchen Dynamik zu befreien, ist nicht einfach und bedeutet vor allem eines: Bereit sein, loszulassen. Es ist möglich, den Kurs zu ändern und mit der gaslightenden Person gemeinsam aus dem Muster auszubrechen. Niemand wird als Gaslighter*in geboren, sondern erlernt dieses Verhalten – manchmal, indem die Person es am eigenen Leib erfahren hat. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Gaslighting „entlernt“ werden kann. Doch das setzt sehr viel Arbeit und eine sehr starke Bereitschaft zur Änderung voraus. Je bewusster jemand Gaslighting einsetzt, um andere zu manipulieren, umso weniger ist davon auszugehen, dass sich die Person ändern will.

Beantworte also folgende Fragen ganz ehrlich für Dich: Ist Dein Gegenüber fähig und gewillt, sich zu ändern? Kannst Du Dich mit dieser Person überhaupt anders verhalten oder werdet ihr immer wieder in dieselben Rollen verfallen? Kostet Dich die Arbeit an dieser Beziehung langfristig mehr Energie, als sie Dir gibt? Wenn Du keine realistische Chance siehst, dass ihr Euch gemeinsam in eine gesunde Richtung entwickeln könnt, dann solltest Du Deiner Gesundheit zuliebe auf Distanz gehen.

Selbst, wenn Du zum Schluss kommst, dass Du Deine Beziehung beenden musst, um Dich aus der missbräuchlichen Dynamik zu befreien: Der Weg dazu ist oft lang, insbesondere, wenn sich ein Abhängigkeitsverhältnis entwickelt hat. Du kannst Dich aber trotzdem situativ und in kleinen Schritten dem Gaslighting entziehen. Selbst, wenn Du noch unsicher bist, wie es mit Deiner Beziehung weitergeht, gibt es einige hilfreiche Tipps, die Dich in Situationen unterstützen können, in denen Du manipuliert wirst.

Höre auf Deine Gefühle und nimm sie ernst: Wenn Du Dich in einer Situation nicht wohlfühlst, ist Deine Empfindung immer valide. Das kann Dir auch dabei helfen, klare Grenzen zu setzen.

Entferne Dich aus Situationen, die Dir ein ungutes Gefühl geben. Wenn Du merkst, dass Du gerade manipuliert wirst, blocke ab oder versuche, Dich der Situation komplett zu entziehen, bevor Dich Dein Gegenüber einnehmen kann.

Dokumentiere Gespräche und Situationen, damit Du Dich auch nachträglich vergewissern kannst, was wirklich gesagt wurde beziehungsweise wie Du Aussagen wahrgenommen hast – und dass diese Situationen wirklich passiert sind.

Lasse Dich von Außenstehenden rückversichern, hole Dir ihre Einschätzung ein und tausche Dich mit Menschen aus, die Dich gut kennen und Dein Selbstbild stärken.

Sei geduldig und nachsichtig mit Dir, auch wenn Du Dich noch nicht aus der Situation lösen konntest. Der Weg aus einer missbräuchlichen Beziehung kann lang sein und kostet viel Kraft.

Auch wenn es sich nicht immer so anfühlt: Deine Gefühle sind valide und Du darfst Dir selbst vertrauen. Du bist liebenswert und verdienst es, ein eigenständiges Leben zu führen und glücklich zu sein. Hilfe in Anspruch zu nehmen, egal ob von Freund*innen, Familie oder Fachpersonen, ist nicht nur okay, sondern manchmal einfach notwendig – Du bist nicht alleine.


* Wenn Du das Gefühl hast, dass Du Dich in einer persönlichen Krise befindest, die Du nicht alleine bewältigen kannst, hole Dir unbedingt professionelle Hilfe. Verschiedene Anlaufstellen findest Du beispielsweise bei der Deutschen Depressionshilfe.

Geschrieben von
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