„Die Hosen herunterlassen“ – das tun die wenigsten von uns gerne, selbst wenn wir uns nur im übertragenen Sinne vor anderen entblößen müssen. Dass diese Redewendung negativ konnotiert ist, lässt tief blicken: Sich vor anderen Menschen auszuziehen, ist tief mit Scham behaftet und für die meisten von uns unangenehm. Es gibt sogar Tage, an denen wir uns nicht einmal unseren (Sex-)Partner*innen gerne zeigen und lieber mal das Licht auslassen, um unsere vermeintlichen Makel im Dunkeln zu verbergen.
Je fremder uns eine Person ist, desto schwerer fällt das Ausziehen oft. Ob beim ersten Mal Sex mit einer Person oder bei ärztlichen Untersuchungen: Sich nackt zu zeigen, kostet Überwindung und kann viele Unsicherheiten zutage bringen. Nicht nur das Wohlbefinden leidet unter dieser Scham, sie kann sich sogar negativ auf unsere körperliche Gesundheit auswirken. Sich vor einer anderen Person komplett nackt zeigen und die intimsten Stellen untersuchen lassen? Für viele Menschen eine so unangenehme Vorstellung, dass sie wichtige medizinische Untersuchungen auf die lange Bank schieben und sogar bei der Selbstuntersuchung wie beim Prüfen von Muttermalen auf die wichtige Hilfe anderer verzichten. Gemeinsam mit der AOK haben wir deshalb ein Kartenspiel erstellt, mit dem die Hautkrebsvorsorge spielerisch leicht fällt und zu einem intimen Erlebnis mit Deinem Babe wird.
Also: Mut zur nackten Wahrheit! Neben dem Spiel haben wir noch weitere Tipps bereit, wie Du Dich in Deiner Haut (noch) wohler fühlen kannst und wie Du wieder mehr „in touch“ mit Deinem Körper kommst – wortwörtlich 😉
Instinkte? Normen? Vergleiche? Weshalb wir uns fürs Nacktsein schämen
Weshalb löst Nacktsein vor anderen überhaupt ein solches Unbehagen in Menschen aus? Vielleicht sind es Urinstinkte, die uns warnen. Wer sich auszieht, gibt den Schutz des Körpers auf und macht sich verletzlich und angreifbar. Der Drang, sich zu bedecken, begleitet uns folglich auch durch die Menschheitsgeschichte. Vom Neandertaler im Lendenschurz, über Adam und Eva hinter dem Feigenblatt bis hin zu auf TikTok trendenden Höschen, die „cameltoe proof“ sind und verhindern sollen, dass die Vulvalippen durch Leggings sichtbar sind. Der menschliche Körper, insbesondere der Intimbereich, scheint um jeden Preis bedeckt werden zu müssen.
Besonders das letzte Beispiel zeigt, dass es sich hierbei um weitaus mehr als einen natürlichen Schutzinstinkt handelt. Körper zu tabuisieren und mit Scham zu behaften, ist auch immer eine Form von Machtausübung. „Männliche“ Brustwarzen dürfen beispielsweise in unserer Gesellschaft für alle sichtbar sein. Sobald sie sich auf einer weiblich gelesenen Brust befinden, werden sie sofort zensiert.
Klar, der Umgang mit nackter Haut ist heute deutlich ungezwungener, trotzdem dürfen nicht alle Körper gleichermaßen gezeigt werden. Leicht bekleidete Körper begegnen uns im Alltag oft, sie werden auf Plakatwerbung gezeigt und flimmern über unsere Bildschirme. Zumindest, solange sie muskulös, schlank, glatt, porenlos und leistungsfähig sind. Nackte Körper sind zwar auf den ersten Blick normalisiert(er), doch solche unrealistischen Vorbilder helfen uns trotzdem nicht, den eigenen Körper mit weniger Scham zu betrachten, solange wir ihn mit solchen unrealistischen Idealbildern vergleichen müssen.
Nacktsein: weniger Gedanken machen, mehr Spaß haben!
Höchste Zeit, das zu ändern und mit den Hüllen auch unsere Scham fallen zu lassen! Denn sich im eigenen Körper wohlzufühlen und die Angst vor Nacktheit abzulegen, ist gesund! Selbstakzeptanz trägt unglaublich viel zu unserem Wohlbefinden bei und unsere sexuelle Gesundheit profitiert von einem offenen Umgang mit unserem Körper. Wer sich wohl in der eigenen Haut fühlt, kann sich beim Sex mehr fallen lassen und den Moment genießen. Stell Dir nur mal all die Momente vor, in denen Du beim Sex versucht hast, Röllchen am Bauch zu verstecken oder darauf zu hoffen, dass Dein Babe unrasierte Körperpartien nicht bemerkt. So viel Zeit, in der Du einfach hättest Spaß haben und genießen können. Motivation genug, um Dir nicht noch mehr Zeit und Fun rauben zu lassen, oder?
Nacktsein ist gesund!
Nicht nur für Dein sexuelles Wohlbefinden ist es förderlich, wenn Du Dich wohl in Deinem Körper fühlst. Die Vorstellung, sich vor anderen nackt zu machen, kann Menschen davon abhalten, zu ärztlichen Kontrollen zu gehen; beispielsweise zu gynäkologischen Untersuchungen, aber auch zu Hautkrebsscreenings, bei denen jeder Zentimeter des Körpers untersucht wird.
Und nun? Einfach alle Hüllen und Hemmungen fallen lassen? Das ist einfacher gesagt als getan. Um die Hürden beim Ausziehen abzubauen, haben die AOK und AMORELIE gemeinsam das Kartenspiel »Skintimacy« herausgebracht, mit dem Du und Dein Babe Euch spielerisch noch näher kommen könnt und ganz nebenbei Eure Haut gegenseitig untersucht. Hautkrebsvorsorge ist wichtig – und sie kann ganz schön sexy sein! Auch wenn es Spaß macht: Eine Untersuchung von Deinem Babe alleine reicht leider nicht aus, deswegen solltest Du alle zwei Jahre zum professionellen Hautkrebsscreening gehen und Dich untersuchen lassen.
Natürlich kannst Du in der Praxis nicht einfach Dein Kartenspiel ziehen und mit Deinem*Deiner Hautarzt*ärztin eine Runde »Skintimacy« spielen, um die Stimmung aufzulockern. Deshalb haben wir für Dich einige weitere Tipps, die Dir dabei helfen können, Deinen nackten Körper zu akzeptieren und Deine Scham etwas abzulegen.
Körperbilder: Keep it real!
In der Werbung, auf Social Media, in Pornos: Überall lächeln uns Menschen mit geraden, strahlend weißen Zähnen entgegen und halten ihre gestählten Körper vor die Linse – und auf diesen existieren weder Poren noch Haare. Unbewusst und automatisch vergleichen wir uns mit all diesen Menschen – und können dabei nur schlechter dastehen. Das richtige Licht, der perfekte Winkel, Photoshop und Facetune erzeugen ein geschöntes Bild, das mit der Realität nicht mehr viel zu tun hat. Doch unser Hirn vergisst schnell, dass es sich hierbei nicht um ein echtes Abbild handelt; schließlich werden wir fast ununterbrochen mit solchen perfekten Körpern konfrontiert.
Gönn Deiner Wahrnehmung deshalb regelmäßig einen Reality-Check. Versuche, auf Social Media bewusst Content zu konsumieren, der realistische Körper abbildet. Es gibt viele Influencer*innen, die zum Thema „Instagram vs. Reality“ posten und offen ihre natürlichen Körper mit all ihren Imperfektionen oder auch Behinderungen zeigen. Auch Pornos, die verschiedene Körper zeigen, können helfen, Unsicherheiten abzubauen. Schau mal bei Anbieter*innen wie Cheex vorbei, die nur fair produzierten Content anbieten und Wert darauf legen, diverse Darsteller*innen zu zeigen. Du wirst sehen: Körper gibt es in allen Farben und Formen – und alle können wahnsinnig erotisch sein!
Auch offline kann die Konfrontation mit verschiedenen Körpern heilend sein. Achte bewusst – und ohne zu urteilen – auf die Körper, die Dir im Alltag begegnen und versuche, die Vielfalt bewusst wahrzunehmen. Aber Vorsicht: Sei dabei diskret und starre Menschen nicht an. Es geht nicht darum, andere Menschen zu observieren, sondern für Dich Dein Bewusstsein für verschiedene Körperformen zu schärfen. Oder frage einfach Dein Babe, ob Du seinen*ihren Körper mal genau unter die Lupe nehmen darfst und gehe auf Erkundungstour. Du wirst Unebenheiten entdecken, Narben, Härchen, Hornhaut… und Dein Gegenüber trotzdem immer noch unglaublich heiß finden!
Spieglein, Spieglein an der Wand …
Besonders Personen mit Vulva haben oft ein schwieriges Verhältnis zu dieser Körperpartie. Es ist 2024 und wir sprechen ernsthaft immer noch von „Schambereich“ und von „Schamlippen“, what the … ?! Wenn Du Dein Verhältnis zu Deiner Vulvina stärken möchtest, ist ein Vulva-Watchings vielleicht etwas für Dich. In diesen Workshops dreht sich alles darum, die eigene Scham abzubauen und gleichzeitig die wundervolle Vielfalt der Körper wertzuschätzen.
Nacktsein – I’m feeling myself!
Die Spiegelkonfrontation kann schon ganz viel dabei helfen, ein besseres Körpergefühl zu bekommen. Wenn Du nun noch mehr Sinne einbindest, stärkt das die Verbindung zu Dir nur noch mehr. Übe Dich in Achtsamkeit und versuche, mit geschlossenen Augen Deinen Körper ganz genau wahrzunehmen. Atme bewusst, höre Dir dabei zu und spüre Deinen Körper in all seinen Facetten. Achte auf Körperstellen, die Du sonst nicht wahrnimmst. Wie fühlt sich Dein rechter Ringfinger an? Kannst Du Deine Kniekehlen spüren? Nimmst Du irgendwo in Dir ein Gefühl wahr, ein Kitzeln, ein Pulsieren, ein Kribbeln? Konzentriere Dich darauf und versuche dabei, ganz in Deinem Körper zu sein.
Auch Bewegung kann helfen, Dich Deinem Körper noch verbundener zu fühlen. Damit ist nicht ein rigides Sportprogramm gemeint, um Deine Muskeln Instagram-tauglich zu stählen, sondern ganz alltägliche Aktivitäten. Stehe mal von Deinem Bürostuhl im Homeoffice auf, drehe Deinen Lieblingssong auf und tanze los! Nimm Dir in der Mittagspause Zeit für einen kleinen Spaziergang und fühle die Sonne auf Deiner Haut. Und klar, wenn Du gerne Sport machst, dann powere Dich aus! Je mehr Du Deinen Körper als Teil von Dir spürst, desto schwerer fällt es Dir, ihn als fremdes Objekt wahrzunehmen, das Du einfach kritisieren und schlechtreden kannst.
Körperwahrnehmung: Funktion vor Form
Dein Körper leistet viel und das so selbstverständlich und zuverlässig, dass Du es im Alltag oft gar nicht mehr richtig mitkriegst. Vielleicht fällt es deshalb so schwer, ihn genau dafür, anstatt für sein Aussehen zu schätzen. Ein Perspektivenwechsel kann helfen. Dein Körper ist vor allem da, um Dich am Leben zu erhalten und nicht, um gut auf Fotos auszusehen oder anderen zu gefallen! Mach Dir bewusst, was Dein Body alles für Dich tut. Atmen, verdauen, wachsen, heilen, sich regenerieren …
Du magst Deinen Bauch nicht, weil er zu wenig straff ist? Dafür sorgt er dafür, dass Du mit Nährstoffen versorgt bist und Energie hast! Du findest Deine Schultern zu schmal? Sie sind stark genug, damit sich Deine Freund*innen daran anlehnen können, wenn sie es brauchen! Dein Körper ist eine Hochleistungsmaschine und er verdient Respekt. Statt ihn vor Scham zu verstecken, darf er mit Stolz präsentiert werden.
Selfcare: Zeig Dir Liebe!
Dabei kannst Du auch gesundheitsvorsorgende Maßnahmen einbinden, denn das gehört ebenso zu Selfcare. Du kannst während Deinem Bodylotion-Verwöhnprogramm beispielsweise Deine Haut auf Muttermale untersuchen oder Deine Brust abtasten. Schau Dir dabei zu und nimm Deinen Körper wahr und Du wirst sehen: Du bist unwiderstehlich. Oder zumindest ganz okay – es gibt auch gute Gründe, statt „Body Positivity“ einfach „Body Neutrality“ anzustreben. Aber wenn Du Dich beim Blick in den Spiegel ein bisschen verguckt hast, dann feiere Deine Selbstliebe! Schnapp Dir Dein Lieblingstoy, leg Hand an und schau Dir dabei im Spiegel zu – Du wirst nicht glauben, wie hot Du dabei aussiehst!
Nacktsein: alles schon gesehen
Den eigenen Körper zu akzeptieren und den Mut zu haben, sich anderen nackt zu zeigen, ist nicht einfach – selbst mit den besten Selflove-Tipps. Mach Dir keinen Druck! Dich selber zu akzeptieren bedeutet auch, dass Du nachsichtig mit Dir bist, wenn Du haderst. Wir alle sind geradezu darauf programmiert, uns für unsere Körper zu schämen und sie ständig zu optimieren. Diese Denkmuster lassen sich nicht einfach so durchbrechen. Es wird vermutlich immer Tage geben, an denen Du Dich nicht gerne zeigst; es ist normal, dass es Dich immer wieder Überwindung kostet, vor anderen die Hüllen fallen zu lassen. Halte Dir vor Augen: Es geht den meisten Menschen genau so. Und ob Du Dich vor Deiner neuen Flamme zum ersten Mal nackt zeigst, vor dem Gynäkologen oder vor der Hautärztin: Du bist bestimmt nicht die erste Person, die Dein Gegenüber nackt gesehen hat und sehr wahrscheinlich kennt die andere Person Dein Gefühl der Unsicherheit nur zu gut von sich selbst!