Bilder: The Vulva Gallery
Inhalt
Vulva Shaming – was steckt dahinter?
Während ein praller Phallus fast an jede Häuserwand gekritzelt wird, ist die Vulva einfach unterrepräsentiert. Sie ist im öffentlichen Leben unsichtbar und leider noch oft mit Scham und einem schlechten Ruf behaftet. Unsensible Witze über den „Fischladen“, abwertende Bezeichnungen wie Truthahn, wenn bei Frauen die kleinen Schamlippen aus den großen hervorgucken, oder beleidigende Kommentare über eine gedehnte Vagina nach der Geburt eines Kindes, tragen maßgeblich zum Vulva Shaming – eine spezielle Form des Body Shamings – bei.
Die Wortwahl: Vagina als Schimpfwort
Penis. Penis. Peeeeeenis. Können wir laut und ohne rot zu werden sagen. Der Begriff ist biologisch korrekt sowie gesellschaftlich akzeptiert. Der Penis und auch die Hoden erfreuen sich außerdem einer großen Anzahl an positiven oder eher neutralen Beinamen.
Und dann gibt es da natürlich noch das unsägliche F-Wort, das wir sogar als hässliches Schimpfwort benutzen. Die Vagina als Schimpfwort? Das hat sie nicht verdient! Sprache transportiert unterschwellig Botschaften. Wer sensibel mit seiner Wortwahl umgeht, kann dazu beitragen, dass sich fest verankerte Prinzipien ändern oder zumindest Denkanstöße geben. Wir haben doch auch „Fräulein“ aus unserem Wortschatz gestrichen. Sprachwandel geht. Nennen wir es doch einfach beim Namen und sagen ganz selbstverständlich: Vulva, Scheide, Vaaaaaagiiiiiiinaaaaaa.
Period Shaming: Warum sind uns Tampons peinlich?
Ein weiterer unschöner Teil von Vulva Shaming ist das so genannte Period Shaming. Die Menstruation ist mit Scham und Ekel behaftet. Ein Tampon, der versehentlich aus der Handtasche purzelt – unendlich peinlich. Warum eigentlich? Aus Pflastern, Taschentüchern und Klopapier macht man ja auch keinen Hehl. Aber wer würde schon mit einer Packung Slipeinlagen unter dem Arm durch die Stadt spazieren?
Schon lange ist auch Fernsehwerbung für Hygieneartikel für Frauen den Gegnern von Vulva Shaming ein Dorn im Auge. Dass dort klinisch reine, blaue Flüssigkeit auf eine Binde getropft wird, statt rote – denn ja, Blut ist nun mal rot – sei unnötige Schönmalerei. Das impliziere, dass Menstruationsblut etwas ist, das beschönigt werden müsse. Etwas, das man in seiner ursprünglichen Farbe den Fernsehzuschauern nicht zumuten könne.
Die Periode ist ein natürlicher Vorgang im weiblichen Körper und sollte niemandem peinlich sein. Aber gerade viele junge Mädchen gehen noch immer durch die Hölle, wenn mal etwas daneben geht und ein kleiner Blutfleck auf der Hose zu sehen ist. Es ist unendlich peinlich, wenn so etwas passiert. Dabei passiert es fast jeder Frau einmal. Na und?! Wir schrammen uns doch auch das Knie auf bluten. Ist ganz natürlich.
Camel Toe: die vermeintliche Mode-Todsünde
Der Camel Toe (Kamelzeh) ist ein Ausdruck für eine Leggings oder eine enge Hose, unter der sich die Schamlippen abzeichnen – ein Fauxpas, so scheint es, denn immer wieder tauchen Fotos von Prominenten in Boulevard-Magazinen auf, bei denen auf diesen „Fail“ hingewiesen wird. Das ist Body Shaming par excellence. Feministinnen betonen außerdem, dass es besonders ein „Problem“ bei Frauen darstelle, schließlich wird bei Unterwäsche-Kampagnen von Männern sogar oftmals noch nachgeholfen und die Intimregion besonders verstärkt. Sich abzeichnende Männergenitalien sind also ok, während es die von Frauen nicht sind?!
„The worst celebrity camel toes EVER“, titelt dailystar.co.uk, „Oops moment: Most shocking cases of celebrity camel toe“ (indiatoday), „We can see EVERYTHING: Most embarrassing celebrity camel toes“, liest man auf entertainmentwise.com. Und das sind nur zufällige Treffer von der ersten Google-Seite. Traurig, oder?! Warum ist die Vulva so etwas vermeintlich Peinliches, das man verstecken oder weswegen man sich sogar schämen sollte?
Body Diversity – jede Vulva ist schön!
Leider liest man viel zu oft in Foren, Jugendmagazinen oder in den sozialen Netzwerken: „Ist meine Vagina normal?“, „Ich finde meine Vulva hässlich“ oder „Innere Schamlippen gucken hervor – was kann ich tun?“. Viele Körperteile sind mit Unsicherheiten bezüglich ihrer Optik behaftet. Typische Problemzönchen bei Frauen sind bekanntermaßen Bauch, Beine, Busen und Po.
Aber auch die Vulva wird oft kritisch beäugt, denn auch sie sollte einem vermeintlichen Ideal entsprechen: glattrasiert, geformt wie ein Brötchen und mit zartem Rosenduft. Dieses Bild sät Unsicherheiten vor allem bei jungen Frauen. Ein großer Prozentsatz verzichtet sogar auf Oralsex, weil sie sich für ihre Vulva schämen.
Eine andere extreme Ausprägung sind intimchirurgische Eingriffe wie Schamlippenkorrekturen, die sich als Schönheitsoperation immer größerer Beliebtheit erfreuen. Zum Glück gibt es zu jedem Trend auch immer einen Gegentrend. Immer mehr Vertreterinnen und Vertreter von Body Diversity pfeifen auf unrealistische Schönheitsideale und feiern jeden Körper in jeder Form und Farbe.
Designervagina auf dem Vormarsch
Eine Vulva hat nicht einem bestimmten Look zu entsprechen, um als schön zu gelten – sollte man meinen. Dennoch ist die Optimierung von weiblichen Genitalien ein boomendes Geschäft. Nach Erhebungen der Gesellschaft für ästhetische Chirurgie Deutschland lag die Intimchirurgie bei Frauen im Jahr 2010 auf Rang sieben der häufigsten Eingriffe.
Hier gibt es unzählige Möglichkeiten zum Optimieren der Vulva: Fettabsaugung oder Aufpolsterungen des Venushügels, Reduzierung der Klitorishaut, Vaginalverengung oder Gewebestraffung sowie die Vergrößerung der äußeren Schamlippen. Der häufigste Eingriff im Intimbereich ist jedoch die Labioplastik, die Verkleinerung der inneren Schamlippen. Zumeist wird sie aus ästhetischen Gründen vorgenommen. Manchmal wird sie auch aus medizinisch-funktionellen Gründen durchgeführt, da zu große innere aber auch äußere Schamlippen zu Schmerzen beim Radfahren oder Geschlechtsverkehr und zu Entzündungen führen können. Dies wird jedoch oft kritisch gesehen (beispielsweise durch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe). Schließlich befinden sich auch männliche Genitalien außerhalb des Körpers… Die Risiken für so einen Eingriff sind außerdem nicht zu unterschätzen: Wundheilungsstörungen, Vernarbungen oder Komplikationen bei der Narkose können auftreten.
Viva la Vulva
Schluss damit. Die Künstlerin Hilde Atalanta hat genug von unnötigen Labienreduktionen und Vulva Shaming. Sie will mit ihren Bildern deutlich machen, dass gerade die Vielfalt von Vulven so wunderschön ist. „In erster Linie soll The Vulva Gallery aufklären. Ich will, dass Leute die Vulva und sich selbst positiver wahrnehmen. Ich will ihnen mehr Selbstbewusstsein schenken und ihnen zeigen, dass Unterschiede nichts Schlechtes sind, sondern sogar sehr gut“, erklärt Atalanta gegenüber vice.com. Zu The Vulva Gallery.
4 Responses
Hä, es geht doch gar nicht um den Penis?
“ Ich finde es darf einfach nicht so dargestellt werden als wären nur Frauen oder Mädchen betroffen“
Nun, Vulva-Shaming betrifft aber eben nur diejenigen, die eine Vagnina haben. So gesehen sind das dann wohl eher gesehen Menschen biologisch/anatomisch weiblichen Geschlechts.
Und wie immer ist der erste Kommentar unter einem Post, das sich um ein Problem von Frauen dreht, ein Mann, der Angst hat, dass die männlichen Probleme nicht wahrgenommen werden. Das ist traurig. Denn DARUM geht es hier nicht!
Schön das ihr euch so einsetzt, aber es ist auch so daß sich Jungs schämen und blöd angesprochen werden wenn der Penis nicht unter Kontrolle ist. Das ist doch auch völlig normal oder? Ich finde es darf einfach nicht so dargestellt werden als wären nur Frauen oder Mädchen betroffen