„Ich schlafe nicht mit jemandem. Ich ficke … hart.“ – dieser Satz ist jedem 50 Shades of Grey-Fan sicher fest im Gedächtnis verankert geblieben. Das ist das Credo von Christian Grey, der millionenschweren Hauptfigur der Erotik-Reihe. Sätze dieser Art gab es viele. Die britische Autorin E. L. James musste dafür viel Häme von Kritikern einstecken. Dem Erfolg der Roman-Trilogie tat das keinen Abbruch. Aber, warum sind die Romane so erfolgreich und warum lesen vor allem Frauen 50 Shades of Grey?
„50 Shades of Grey“ – der Erfolg in Zahlen
Die Romanreihe ist in über 50 verschiedene Sprachen übersetzt worden. Weltweit wurden rund 100 Millionen Exemplare verkauft. Der erste Band führte wochenlang die Bestseller-Listen in den USA und Großbritannien an. In Deutschland hat sich die Trilogie über 6 Millionen Mal verkauft.
Die SM-Beziehung zwischen Christian Grey und Anastasia Steele lässt sogar „Harry Potter“ alt aussehen. Amazon.co.uk erklärte im August 2012, dass mehr Exemplare von “50 Shades of Grey” verkauft wurden als von der siebenteiligen „Harry Potter“-Reihe insgesamt*. Damit ist E. L. James die erfolgreichste Autorin des britischen Online-Buchhändlers – vor J.K. Rowling. Der Roman hat sogar ein ganz neues Literaturgenre geschaffen – es wird gehässig als „Mommy Porn“ (zu dt. etwa „Hausfrauenporno“) bezeichnet.
Die Bücher schafften es schließlich auch nach Hollywood. Der erste Teil der Erotik-Saga kam im Februar 2015 in die Kinos – in den Hauptrollen Dakota Johnson und Jamie Dornan. Der Trailer zum Film war der meist gesehene Vorab-Clip im Jahr 2014. 2017 wird nachgelegt. Doch was steckt hinter diesem ernormen Hype? Warum ist „Fifty Shades of Grey“ so beliebt?
Warum ist Fifty Shades of Grey so erfolgreich?
E.L. James – mit bürgerlichem Namen Erika Leonard – veröffentlichte die pikante Geschichte um den Unternehmer Christian Grey und die Studentin Anastasia Steele ursprünglich als erotische Fan-Fiction in “Twilight”-Fan-Foren. 2009 trug die Story noch den Titel “The Master of the Universe”. Die Hauptdarsteller waren eigentlich Edward Cullen und Bella Swan aus Stephenie Meyers Vampir-Saga – nur eben in der Erwachsenenwelt. Schnell wurde den Fans die Geschichte jedoch zu schlüpfrig und so veröffentlichte James ihre Geschichte auf einer eigenen Webseite, auf die schließlich auch die Verlagswelt aufmerksam wurde.
„Twilight“ war weltweit ein mega Erfolg, die Fanbase riesig, die Fan-Foren voll mit lautstarken Rufen nach Fortsetzungen. Wurden sie mit „Shades of Grey“ erhört? Die Ähnlichkeiten zwischen den Storylines sind deutlich erkennbar: Tollpatschige Jungfrau trifft reichen Mann mit einer dunklen Seite; beide verfallen einander. Ist das Erfolgsgeheimnis des Bestsellers also „Twilight“ + Sex = 100 Millionen verkaufte Exemplare? Sicherlich hat die bereits bestehende Vampir-Fanbase dazu beigetragen – doch ganz so simpel ist es nicht. Aber E.L. James hat einen Nerv getroffen. Einen weiblichen. Denn die Erfolgsgeschichte des Romans ist weiblich.
Warum lesen Frauen 50 Shades of Grey?
- Die Erotik: Frauen wollen stimulierendes Material konsumieren – doch es muss nicht immer Porno sein. Nicht selten war in Fan-Foren zu lesen, dass Frauen zu dem Buch masturbieren. Das ist eindeutig eine positive Folge des Phänomens. Schließlich rückt das Thema weibliche Lust in den Fokus und Frauen auf der ganzen Welt tauschen sich aus über ihre Wünsche, Begierden und Fantasien. Dass es sich hierbei um eine SM-Beziehung handelt, ist das Sahnehäubchen, denn Unterwerfungsfantasien sind im erotischen Kontext eine der häufigsten Fantasien. Es zeigt sich darin der Wunsch, von jemandem begehrt zu werden. Spricht das nicht gegen sämtliche feministische Grundsätze? Nein. Schließlich geht es hier um Lust, nicht um das Leben – was im Schlafzimmer passiert hat nichts mit dem Ansehen und der Position im Alltag zu tun.
- Die Liebe: Auch wenn man alle Sexszenen in „50 Shades of Grey“ streicht, geht es noch immer um Anziehung, Hingabe, Unsicherheiten – eben um Liebe. Ihre Liebe ist sogar so stark, dass beide ihre Ängste überwinden und Schritt für Schritt aufeinander zugehen. Ein klassisches Märchen-Motiv: Nur der wahren Liebe Kuss vermag, den Verwunschenen zu erlösen. Dieser Wunsch von Frauen, einen Bad Boy zu zähmen, reicht von „Die Schöne und das Biest“ bis hin zu Womanizer George Clooney. Der Frauenschwarm galt als ewiger Junggeselle, bis er die Eine getroffen hat und es ein Happy End vor dem Altar gab. Mit diesem Stoff, aus dem Träume sind, füllte E.L. James rund 600 Seiten und wurde so zu einer der erfolgreichsten Autorinnen unserer Zeit.
- Die Charaktere: Die weibliche Hauptfigur des Romans ist den Leserinnen nah. Sie bietet die Möglichkeit, sich mit ihr zu identifizieren, wodurch eine Bindung entsteht. Ana ist jung, naiv, verträumt und unerfahren, dennoch experimentierfreudig und abenteuerlustig. Sie ist keine Traumfrau. Nur ein normales Mädchen, das jemanden trifft, der ihre wahre Schönheit sieht, ihr begehrtenswertes Ich entdeckt und hervorkitzelt. So nah die Protagonistin den Leserinnen ist, so fremd ist ihnen die männliche Hauptfigur: Mr. Grey ist ein mysteriöser, charmanter, gebildeter Gentleman mit Manieren und einigen Millionen auf dem Konto. Obendrein noch ein wahnsinnig guter Liebhaber, der Ana Nacht für Nacht betörende Orgasmen verschafft. Ein Märchenprinz mit einem Geheimnis. Ein moderner Richard Gere mit Spielzimmer.
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