Podcast meets Workshop: Wie Jennis Vulva ein Fotoshooting hatte

Illustration: Joshua Buchheim

Habt Ihr schon mal Eure Vulva geschmückt? Nein? Ich auch nicht. Dieses Erlebnis wartet im zweiten Teil meines Vulva-Watching Workshops auf mich. Im ersten Teil berichte ich darüber, wie es sich anfühlte, sieben Frauen meine Vulva zu zeigen. 

In diesem Teil geht es ums Schmücken unseres Schoßaltars und dem anschließenden Fotoshooting unserer geschmückten Vulva – so viel Aufmerksamkeit hatte meine Vulva definitiv noch nicht.  Zur Vorbereitung auf das Shooting hat jede von uns schöne Dinge mitgebracht, die wir zu Beginn des Workshops in der Mitte des Raumes platziert haben. Mir fallen verschiedene Blumen, Gräser, Muscheln und Steine, Federn, Glitzer und Ketten ins Auge. Ich habe noch zwei goldene Bilderrahmen mit Verzierungen mitgebracht. Die Vulva ist ein Kunstwerk, also gehört sie eingerahmt. Schlicht, aber eindringlich.

Bevor wir unseren Schoßaltar schmücken, werden erst einmal Fotos von unserer ungeschmückten Vulva gemacht. Und zwar von Jennifer Rabe. Sie ist Fotografin und arbeitet schon seit mehreren Jahren mit Iva, unserer Workshopleiterin, zusammen. Beide haben die Version, eines Tages eine Ausstellung mit Fotos von Vulven zu machen, um zu zeigen, wie vielfältig und wunderschön diese sind. Ich folge seit einiger Zeit einem Profil auf Instagram, um das auch wirklich zu fühlen. Die Vulva Gallery hilft mir dabei, die Vulva zu entsexualisieren und dem Impuls nicht nachzugeben, meine Vulva mit anderen Vulven zu vergleichen. All vulvas are beautiful, right?

Das Besondere an unserem Fotoshooting ist, dass nicht nur Iva, sondern auch Fotografin Jennifer sich komplett ausziehen, um Berührungsängste abzubauen und uns das Gefühl zu geben, dass wir alle gleich sind und das Atelier ein Safe Space ist. Es funktioniert tatsächlich! Nach und nach verliert die Atmosphäre im Raum an Anspannung und Sexualisierung.

Wir unterstützen uns gegenseitig beim Vulva-Schmücken

Nun steht unser Schoßaltar im Mittelpunkt und ich kann endlich kreativ werden. Das kommt mir gelegen, denn ich vergesse, über die Situation an sich und darüber zu grübeln, ob meine Vulva wirklich schön ist. Jede von uns sucht sich ein Eckchen im Raum und schmückt ihre Vulva. Am Ende fühlen wir uns so selbstsicher, dass wir einander helfen und uns sagen, was gut aussieht. Der Moment berührt mich auf besondere Art und Weise. Schließlich ist das keine alltägliche Situation. All unsere Vulven sehen anders aus und sind nun auch passenderweise unterschiedlich geschmückt. Und selbst, wenn wir uns gegenseitig die intimsten Körperstellen zeigen, hat dieser Moment absolut nichts Sexuelles.

Währenddessen geht Jennifer im Raum herum und fotografiert, sobald wir zufrieden mit unserem Werk sind. Iva beobachtet uns währenddessen, lächelt, redet uns gut zu und beruhigt mich sehr mit ihrer angenehmen Aura. Ich bin eigentlich nicht spirituell veranlagt, aber sie hat eine Ruhe in sich, die ich spüre – und die bei mir ankommt. Sie ist eine Person, die ich intensiv “fühlen” kann. Und zack, sind anderthalb Stunden um, in denen es nur um Kreativität ging und sich die Nacktheit total normal anfühlte.

Der Workshop endet mit einer abschließenden Runde, in der jede von uns erzählt, wie sie sich fühlt und während des Workshops gefühlt hat. Ich hadere mit mir. Während alle Frauen sagen, dass sie mit einem Lächeln aus dem Raum gehen werden, will ich einfach nur fliehen. Auch wenn mir der zweite Teil des Workshops Spaß gemacht hat, hat mich das Vulva Watching im ersten Teil nachhaltig verunsichert. Weil nicht nur mein Körper anders aussieht, sondern auch meine Vulva – so zumindest meine Befürchtung in dem Moment.

Ich verabschiede mich schnell und eile nach Hause, denn – Ihr ahnt es vielleicht – mein Spiegel wartet auf mich. Ich will meine Vulva noch mal mit meinen eigenen Augen sehen, und vor allem in der Position, in der ich sie beim Vulva Watching gezeigt habe. Also stelle ich mir einen Stuhl vor den Spiegel, ziehe mich aus und setze mich hin. Und muss feststellen: Es ist alles okay da unten in der Partyzone. Sie ist nicht normschön, weil eine meiner inneren Vulvalippen etwas rausschaut und Hallo sagt, aber honestly, voll normal und alles gut. Habe ich mir also umsonst Sorgen gemacht und mich schlecht gefühlt? Jein. Ich denke, es ist einfach Teil des Prozesses, wenn man sich mit seinem eigenen Körper, und in diesem Fall speziell mit der Vulva, auseinandersetzt und Verhaltensmuster reflektiert. Während ich dazu neige, mich und meinen Körper mit anderen zu vergleichen und abzuwerten, kann eine andere Person komplett andere issues haben. 

Meine Vulva geht mir nicht aus dem Kopf

In den Tagen nach dem Workshop bin ich gedanklich immer noch bei meiner Vulva, und dass sie nicht normschön ist. Bis ich auf einmal eine E-Mail in meinem Posteingang habe, die mich mit meiner Vulva versöhnt. Ich hatte das Fotoshooting komplett vergessen, dementsprechend überrascht bin ich beim Anblick der angehängten Fotos. Da ist sie, meine Vulva, eingerahmt in einem goldenen Bilderrahmen und mit Blumen dekoriert. Und wisst ihr was? Ich finde meine Vulva schön, so wie sie ist. Ich schaue mir die anderen Fotos an: Auf einem schmücken Federn die Vulva, auf dem anderen sind es ausschließlich zarte Blumen. Schlichtheit für den Schmetterling. Die Fotos vom Shooting teilen möchte ich nicht, dazu sind diese zu intim. Aber ich habe vor einiger Zeit meine Vulva gemalt, und auch das war ein Erlebnis, das mich meiner Vulva näher gebracht hat.

Bild: Jennifer Günther

Für mich war der Vulva-Watching-Workshop eine Grenzerfahrung. Vor 3 Jahren hätte ich mich definitiv nicht getraut, an so etwas teilzunehmen. Heute kann ich stolz sagen: Er hat mich raus aus meiner Komfortzone geholt und mir aufgezeigt, woran ich weiterhin arbeiten muss. Und wie viel noch zu tun ist, um die gesellschaftlichen Schönheitsideale umzustürzen. In dieser Podcast-Episode gehen wir noch tiefer darauf ein:

Ich verstehe nicht, wie manche von der Vorstellung getrieben werden, es gäbe nur eine wahre Schönheit, und diese Norm gilt es zu erreichen. Der Glauben an solch eine Normschönheit führt in meinen Augen zu unrealistischen Körperbildern und der Aberkennung von individueller Schönheit. Diese Denkweise kann tatsächlich krank machen, indem Menschen abgewertet werden oder sich selbst abwerten, wenn sie die Norm nicht widerspiegeln. Es ist an der Zeit, die Vielfalt von Körpern, Vulven und Penissen anzuerkennen. Bist Du dabei?

 

Geschrieben von
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