Paarbeziehung, Sex & Elternschaft: „Der größte Mangel ist die Zeit“

Nele Sehrt

Nele Sehrt ist Diplom-Psychologin, Sexualtherapeutin und Yogalehrerin, sowie Tanzpädagogin und Pole-Dance-Trainerin. Sie betreibt in Hamburg ihre eigene Praxis für Psycho-, Paar- und Sexualtherapie. Bekannt ist sie der breiten Öffentlichkeit als Beraterin und Vermittlerin aus TV-Sendungen wie „The Biggest Loser“ oder „Liebe leicht gemacht“. Im Interview mit AMORELIE spricht die Expertin über Probleme im Beziehungsalltag, Sexualität, körperliches Wohlbefinden und die Herausforderungen einer Paarbeziehung nach dem Elternwerden.

Expertin Nele Sehrt im Interview mit AMORELIE


AMORELIE: Du bist Sexual- und Paartherapeutin. Was sind erfahrungsgemäß die häufigsten Probleme in einer Beziehung bzw. mit welchen Anliegen kommen Paare am häufigsten zu Dir, um sich helfen zu lassen?

Nele Sehrt: Das sind ganz verschiedene Themen – meist sind diese auch abhängig von der Beziehungsdauer: Sei es sexuelle Unlust oder Unterschiede bei den sexuellen Wünschen, aber auch Kommunikationsprobleme, voneinander abweichende Ansprüche innerhalb einer Beziehung oder auch die Herausforderungen einer Paarbeziehung nach dem Elternwerden. Häufig hat jeder Partner für sich bereits viele Lösungsansätze probiert, aber man kommt nicht mehr weiter. Daher kommen Paare recht spät zu einer Therapie, wenn die Situation bereits festgefahren ist, es aussichtslos erscheint oder auch das Thema Trennung im Raum steht.

AMORELIE: Offen über sexuelle Wünsche und Bedürfnisse bzw. Unzufriedenheit mit der Partnerin oder dem Partner zu sprechen, ist nicht leicht für viele Menschen. Hast Du ein paar konkrete Tipps für Paare, wie sie ein solches Gespräch führen können? Was sollte dabei beachtet bzw. vermieden werden?

Nele Sehrt: Sexualität ist nicht nur ein sehr intimes Thema, sondern meist ist die Sexualität auch einer der Grundpfeiler in einer Beziehung. Kritik oder konkrete Wünsche zu äußern benötigt einen besonders sensiblen Umgang damit. Sonst kann es passieren, dass der Partner oder die Beziehung generell in Frage gestellt wird – was meist zu noch mehr Auseinandersetzungen führt.

Zum Anfang einer Beziehung fällt einem die Liebe und die sexuelle Lust sprichwörtlich einfach so in den Schoß, ohne dass man sich darum bemühen muss. Doch die Lust am Leben zu erhalten, braucht Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Neugierde und – vor allem – Zeit und Raum auf der Paarebene. Hilfreich kann die 3:1 Regel sein: Wenn ich meinem Partner davon erzähle, was ich an der Sexualität wunderschön finde und welche Details ich genieße und niemals missen möchte, kann es einfacher sein, sich gemeinsam auf neues Terrain zu wagen.

AMORELIE: Was rätst Du Menschen, die sich in ihrem Körper unwohl fühlen und deshalb in ihrer Sexualität gehemmt sind?

Nele Sehrt: Meist ist dies eine (nicht zu unterschätzende) Kopfsache, weil man bestimmte Vorstellungen davon hat, wie man auszusehen hat oder wie man sich fühlen muss, um sexuell attraktiv oder liebenswert zu sein. Dabei ist es den Rezeptoren in der Haut völlig egal, wie alt, schlaff, kräftig oder dünn der Körper ist. Jeder Körper erzählt eine Geschichte, die es zu ehren gilt: So hat beispielsweise ein Frauenkörper, der ein Kind zur Welt gebracht hat, neues Leben geschaffen – dafür dankbar zu sein und nicht wieder früheren Ansprüchen genügen zu wollen, kann sehr schwierig sein.

Wer sich beispielsweise in seinem Leben zu sehr auf die Luststeigerung über visuelle Reize konzentriert hat, hat hier meist mehr Herausforderungen zu meisten. Dabei wird eine lustvolle Sexualität mit allen Sinnen erlebt – Fühlen, Riechen, Schmecken, Hören. Und genau an diesem Punkt lohnt es sich, anzusetzen. Das kann zwar ein längerer Prozess sein – aber es ist sehr befriedigend und verschafft einem eine glückliche innere Ruhe, das Thema angegangen zu sein. Immerhin wird der Körper immer älter und verändert sich ständig – früher oder später müssen wir uns alle damit auseinandersetzen, sofern man auch im Alter oder bei Krankheit eine erfüllte Sexualität erleben möchte.

Nele Sehrt
Fotos: Claudius Pflug

AMORELIE: Gerade nach einer Schwangerschaft verändert sich der weibliche Körper. Welche Ängste haben Frauen diesbezüglich und was hilft – sowohl dem Körper als auch dem seelischen Wohlbefinden?

Nele Sehrt: Gerade die Schwangerschaft und die ersten Wochen und Monate als Mutter sind eine ganz besondere Zeit, in der sich vieles ändert. Nicht nur hormonell, sondern auch auf das Gefühl auf sich selbst bezogen – immerhin kommt eine neue Ebene dazu: Ich bin nicht nur ich selbst, Frau und Partnerin, sondern nun auch noch Mutter. So tritt auch die Elternebene in das Leben eines Paares und möchte in den Alltag integriert werden – ohne, dass die Paarebene oder die individuell-personelle Ebene dabei auf der Strecke bleibt.

Das ist und darf eine Herausforderung sein und zu Auseinandersetzungen führen. Veränderungen brauchen Zeit, vieles ist neu und einiges darf auch beängstigend sein. Denn Mutter zu sein bedeutet automatisch, sich auch mit Ängsten und Sorgen auseinanderzusetzen. Viele Eltern beschäftigen sich beispielsweise in dieser Zeit auch rückblickend mit der eigenen Kindheit und der elterlichen Erziehung: Was möchte ich beibehalten, was möchte ich verändern – wie ist mein Weg (oder unser Weg als Paar)? Was ist uns wichtig? Sich nicht unter Druck zu setzen, sondern sich neugierig zu beobachten und Veränderungen zuzulassen kann ein Hebel sein, um seelisches Wohlbefinden und Kraft wiederzuerlangen.

Post-Baby Box von AMORELIE

AMORELIE: Was können Männer tun, um Frauen in einer solchen Situation zu unterstützen?

Nele Sehrt: Offen darüber zu kommunizieren ist ein Weg. Aber dies setzt voraus, dass ich selbst meine Ängste und Gefühle wahrnehmen kann. Und gerade in der ersten Zeit nach einer Geburt ist Zeit und Ruhe ein kostbares Gut. Doch auch für den Mann ändert sich vieles: Man ist nun ein Elternteil, ein Papa – und die Findung dieser Rolle kann Zeit brauchen. Wer es schafft, sich selbst und dem ‚wir’ mit Humor zu begegnen, hat gute Karten. Auch stabile und erprobte Beziehungen haben hier Vorteile. Nicht umsonst trennen sich viele Paare im ersten Babyjahr. Was helfen kann ist Verständnis, Grundvertrauen und nicht drängen – aber dennoch bei sich zu bleiben und die eigenen Bedürfnisse nicht zu lange hinten anzustellen, ist wichtig. Denn: Fürsorge ist keine Erregungshilfe.

AMORELIE: Nach einer Schwangerschaft verändert sich oft auch die Beziehung der frischgebackenen Eltern. Wie schaffen es Paare mit kleinen Kindern, ein für beide erfüllendes Sexleben zu führen und sich als Liebespaar nicht zu vernachlässigen?

Nele Sehrt: Der größte Mangel ist die Zeit. Es muss organisiert, geplant und sich gekümmert werden – da bleibt meist nicht nur die Paarebene vorerst auf der Strecke, sondern auch man selbst. Um Lust auf Sex zu haben oder zu bekommen, braucht es aber ein Erleben als Paar. Auch das muss organisiert werden, so unromantisch es auch klingt.

Konzentriert sich beispielsweise eine Frau zu sehr auf die eigene Rolle als Mutter oder erfüllt ihr Kuschelbedürfnis vorwiegend über die Nähe zum Kind, dann wird sie früher oder später einen unzufriedenen Mann vor sich haben. Und wer zu viel Druck ausübt, ohne auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen, wird meist mit Zurückweisung gestraft. Hilfreich kann auch der Gedanke sein, dass wir unsere Kinder auf das Leben vorbereiten und es nützlich ist, den Kindern von Beginn an zu zeigen, dass die Eltern auch Zeit mit sich als Paar verbringen möchten. Wie sonst kann den Kindern für das spätere Erwachsenenleben eine liebende Partnerschaft vorgelebt werden?

AMORELIE: Worin siehst Du die Vorteile von Sexspielzeugen und Accessoires wie Massageöle, Augenbinden etc. für eine Paarbeziehung und was können sie leisten?

Nele Sehrt: Tools wie Sexspielzeuge und Accessoires können ein Anlass sein, sich mehr um die Partnerschaft zu kümmern und sich neu auszuprobieren – sofern sie nicht einen Partner unter Druck setzen. Eine spannende Frage kann sein: Was muss unter dem Weihnachtsbaum in dem Geschenk „Sexualität“ sein, damit ich es kaum erwarten kann, es auszupacken? Das fängt bereits beim Gefühl des Begehrtwerdens an: Durch welche Handlungen meines Partners bekomme ich das Gefühl, begehrt zu werden – und was ist eher kontraproduktiv?

AMORELIE: Noch eine allgemeine Frage zum Schluss: Was ist in einer Beziehung wichtiger, das “Wir-sein” oder das “Ich-bleiben”?

Nele Sehrt: Ganz klar: Beides! Aber ohne ein ‚Ich‘ ist kein ‚Wir‘ möglich.

AMORELIE: Gibt es etwas, das Du den Leserinnen und Lesern gern noch mit auf den Weg geben würdest?

Nele Sehrt: Setzt Euch nicht zu sehr unter Druck, begreift diese neue Situation als Phase und verliert Euch als Paar nicht aus den Augen.

Vielen Dank für das Interview!


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