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„Monogamie tötet die Leidenschaft“ – Ein Plädoyer für die polygame Liebe

17 Oktober 2018,

von

Normalerweise läuft es so. Ich treffe einen Typen, dessen Gesicht etwas ganz Besonderes hat – etwas ‚Beseeltes‘, das mich anspricht. Es gibt diesen Knaller-Moment, wenn unsere Blicke sich das erste Mal treffen und bing.

Es ist mehr als körperliche Anziehung: es ist spirituell, tiefgehend, etwas, das wirklich echt ist. Wir gehen ein paar Mal aus, haben intensive, intime Gespräche bis in die Morgenstunden und die Art von unglaublichen Sex, bei der du anfängst, Gott zu sehen. Alles läuft reibungslos für ein paar Wochen oder Monate, und dann ist er plötzlich weg. Nicht völlig weg, da er antwortet, wenn ich ihm zuerst schreibe, und vielleicht sehe ich ihn auch ab und zu, aber er gibt sich keine Mühe mehr. Das ist für mich unerklärlich, da alles so gut lief. Wir waren dabei, uns zu verlieben, und es war großartig. Warum würde man sich davon entfernen wollen?

Ich bin ein attraktives Mädel. Ich bin schlau, witzig und autark. Wenn ich Jungs finde, bei denen ich nur am Sex interessiert bin (und umgekehrt sie auch), kann ich dafür sorgen, dass diese jahrelang begeistert zu mir zurückkommen. Das eigentliche Problem taucht auf, wenn ich jemanden treffe, mit dem ich ganz klar den Anfang einer Liebesverbindung spüre. Diese Jungs, diese echten Verbindungen, sind jene, bei denen ich das größte Interesse an der Entwicklung langfristiger Romanzen habe. Und das sind dann auch diejenigen, die total ausflippen, wenn ich ihnen sage, dass ich nicht mit ihnen monogam sein will.

Monogamie: Ich lebe sie nicht

Ich lebe nicht monogam. Ich habe es mal probiert, mir hat es nicht gefallen, ich möchte es nie wieder tun. Und in dieser Phase meines Lebens bin ich auch generell nicht super interessiert an Beziehungen, da ich gerade fortlaufende Beziehungen, die sieben Jahre gedauert haben, hinter mir gelassen habe. Ich muss für eine Weile dringend Single sein, so dass ich mich auf all die Dinge konzentrieren kann, die ich für eine Veränderung tun möchte.

Aber die Tatsache, dass ich eine Pause in Sachen Beziehungen einlege, bedeutet nicht, dass ich keinen Sex habe, und auch sicher nicht, dass ich keine Liebe zulasse. Ich möchte beide Dinge mit coolen, respektvollen, attraktiven Leuten, die kein Commitment von mir benötigen oder möchten, haben. Man könnte meinen, dies würde mich zum wildesten Traum eines jeden Mannes machen. Dies ist aber nicht der Fall.

ICH MAG ZWAR EINE PAUSE MIT BEZIEHUNGEN EINLEGEN, ABER NICHT MIT SEX, UND SICHER NICHT MIT DER LIEBE.

Als jemand, der Solo-Polyamory praktiziert, eine Form von Polyamory, die bedeutet, dass man mehrere romantische oder sexuelle Beziehungen haben kann, aber keinen festen, primären Partner, biete ich ein gewisses Maß an Ehrlichkeit ganz zu Anfang. Wenn ich einen neuen Typen kennenlerne, mache ich diese Ansage, einfach um sicherzustellen, dass dieser versteht: „Ja, ich werde niemals zu dir gehören.“ Wenn das ok ist für dich, können wir uns treffen! Was ich jedoch immer und immer wieder erlebe, ist, dass selbst die bindungsscheusten Typen es nicht mögen, wenn du die Tür zu einer möglichen künftigen Bindung verschließt.

Warum passiert das? Handelt es sich um jenen beschissenen Doppelstandard, der sagt, dass Männer mit allen möglichen Frauen schlafen und dafür gelobt werden können, Frauen jedoch als Prostituierte beschimpft und dahingehend nicht respektiert werden? Oder liegt es daran, dass die meisten Menschen von Natur aus und auf einer unterbewussten Ebene von ihren Geliebten Besitz ergreifen? Oder ist dies nur eine grundlegende Angst und Unsicherheit, die dazu führt, dass Männer vor „wilden“ Frauen davonlaufen? Ich denke, es handelt sich vermutlich um eine Kombination aus allem. In jedem Fall ist es ärgerlich. Alles, was ich möchte, sind spaßige, respektvolle, leidenschaftliche, liebevolle Beziehungen ohne Monogamie oder Commitment, und es scheint, dass ich nie Glück damit habe.

Vielleicht erscheint es nicht eingängig, wenn man die Obsession der Massenkultur mit Monogamie bedenkt, aber ich sehe keinen Grund, warum Menschen sich nicht ineinander verlieben können, ohne auf alle anderen im Schlafzimmer zu verzichten. Ich habe mich in mehr Menschen verliebt, mit denen ich keine festen Beziehungen hatte, als in Menschen, mit denen ich fest zusammen war. Es gibt keinen Grund, warum Liebe mit Commitment und Vorrangstellung gleichgesetzt werden sollte.

Ich hätte lieber die Leidenschaft

Meiner Erfahrung nach ist es sogar so, dass ein Fehlen von Commitment eine romantische Liebe viel länger am Leben erhält, als wenn ich den konventionellen Beziehungspfad gegangen wäre: Daten, Zusammenziehen, Verlobung und Hochzeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Konzept von Vertrautheit die Leidenschaft zerstört, und ich hätte lieber die Leidenschaft. Ich bin mit meinen verdammten Freunden vertraut. Ich möchte, dass meine Liebhaber so heiß sind, wie möglich. Und ich möchte, dass sie bei mir bleiben. Ich muss sie nur nicht die ganze Zeit sehen. Ich meine, manno, nun geh schon nach Hause, ich habe zu tun.

Ich habe auch das Gefühl, dass wir zu viel Druck auf neue romantische Beziehungen dahingehend ausüben, dass sie sich in etwas entwickeln sollen. Wenn wir neue potentielle Freunde kennenlernen, ist normalerweise keiner super stark darum bemüht, die Freundschaft in etwas zu verwandeln. Jeder akzeptiert einfach, dass dies vielleicht eine engere Freundschaft werden könnte, vielleicht auch nicht, und mal sehen, was passiert. Es ist entspannt. Dieser Raum und der fehlende Druck ermöglichen es Freundschaften, sich im Zeitablauf organisch zu entwickeln. Warum also denken neue romantische Partner, dass die Romanze alles oder nichts sein muss.

ICH SEHE KEINEN GRUND DAFÜR, WARUM MENSCHEN SICH NICHT INEINANDER VERLIEBEN KÖNNEN, OHNE AUF ALLE ANDEREN IM SCHLAFZIMMER ZU VERZICHTEN.

Das Verrückte daran ist, dass viele Singles, die ich kenne, eigentlich etwas praktizieren, dass stark nach einer Solo-Polyamory aussieht. Sie daten gleichzeitig mehrere Personen oder schlafen mit ihnen. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die meisten Personen, die ich kenne, dies gegenüber ihren Partnern nicht kommunizieren. Sie verstecken diese Informationen, da sie Angst haben, jemanden zu verärgern oder dafür zu sorgen, dass dieser ausflippt, was eine total berechtigte Sorge ist: daher mein Dilemma.

Freunde haben mir dazu geraten, mein Vorgehen bezüglich neuer Dating-Kandidaten zu ändern. Sie denken, dass wenn ich die Information, dass ich nie monogam sein möchte, für mich behalte, und derzeit kein Interesse an einer vorrangigen Beziehung habe, ich weniger von diesem Scheiß des Verschwindens erleben werde. Ich möchte aber nicht unehrlich sein. Ich denke, es sollte nicht so schwierig sein, echte Verbindungen mit Leuten zu finden, die ebenso wie ich dazu bereit sind, die Dinge natürlich entwickeln zu lassen. Leute, die mich nicht sexuell oder emotional besitzen möchten, die ebenso wie ich an ihrer eigenen Entwicklung als Menschen interessiert sind, und die genügend Wert auf romantische und sexuelle Verbindungen mit anderen Menschen legen, um diese nicht aufzugeben.

Ich möchte mich einfach verlieben

Ich möchte mich einfach verlieben, und ich möchte niemanden fesseln und auch selbst nicht gefesselt werden. Ich sehe nicht ein, warum diese Konzepte sich gegenseitig ausschließen sollten.

Falls du ein Mann bist, der Dates mit mir hat, mit mir schläft oder sich anderweitig mit mir trifft, möchte ich, dass du das weißt. Wenn ich dich anschaue, als würde ich dich lieben, liegt das daran, dass ich das wahrscheinlich tue – oder zumindest bin ich auf dem besten Weg dahin. Aber für mich bedeutet Verlieben nicht, dass deine oder meine Freiheiten einzuschränken sind. Wenn ich mich in dich verliebe, heißt dies, dass du mir etwas bedeutest, und letztlich möchte ich ein Teil deines Lebens sein, dass dich glücklich macht und aufbaut. Ich erwarte nichts von unserer Beziehung, das über den jetzigen Moment hinausgeht, verschließe mich aber auch nicht der Idee, dass eine tiefere Bindung entstehen könnte. Ich möchte sehen, was passiert, wenn keiner von uns Druck ausübt oder versucht, etwas zu bewirken.

Ich werde dich nie anlügen. Ich werde nie mein Versprechen brechen. Ich werde nie sang- und klanglos verschwinden. Ich werde dafür sorgen, dass niemals Unsicherheiten oder Eifersucht die Art und Weise beeinflussen, in der ich dich behandle. Ich werde dir nie sagen, was du tun solltest oder wie du dein Leben zu leben hast, und ich erwarte von dir nicht, dass du mich zum Faktor in all deinen Entscheidungen machst. Und ich werde nicht sauer sein, dass du Romanzen und Anziehung und heiße Schlafzimmer-Abenteuer mit anderen Leuten erlebst, die dich glücklich machen.

Alles, was ich im Gegenzug erwarte, ist das gleiche Niveau an Rücksicht und Respekt. Du kannst dich auch in mich verlieben, und ich gebe dir Wärme und Killer-Sex und Romantik und Lachen und absolut keinen Schwachsinn. Das ist doch kein so schlechter Deal, oder?


Dieser Artikel erschien zuerst bei Refinery29
Autorin: SAMIA MOUNTS

 

3 Responses

  1. es ist interessant so etwas einmal zu lesen. ich bin seit 14 Jahren in einer Beziehung und habe nur mit einem Mann geschlafen. Ich bin aber gerne verliebt, auch in andere Männer, und ich mag die Gefühle die dabei ausgelöst werden. Mein Freund und ich sind für einander geschaffen, aber diese körperliche Anziehung und dieses Verliebtsein ist nicht mehr so stark. Für meinen Freund kommen andere Frauen nicht in Frage, aber ich muss mir trotzdem bald einmal die Frage stellen, ob eine monogame Beziehung das richtige für mich ist, denn fremdschmusen ist leider schon 2x passiert. Verletzen und verlieren möchte ich aber natürlich auch niemanden.

  2. Mir ist echt die Kinnlade runtergeklappt… ich dachte ich bin die einzige die so denkt. Es ist unfassbar wie gut es tut das zu lesen. Ich sehe das genauso. Blöd nur, dass ich in einer fast komplett kaputten Ehe stecke. Und für ihn wäre diese Art von Beziehung nicht der Deal den wir geschlossen haben. Jetzt muss ich für mich entscheiden wie ich in Zukunft mein Leben gestalten will, eins weiß ich jedoch jetzt schon: ich gehöre niemandem, nur mir selbst. Das heißt aber eben nicht, dass ich nicht leidenschaftlich lieben und leben kann und es mit anderen Menschen teile.
    Danke für den Artikel! Sehr inspirierend!

  3. Ich verstehe was die Autorin meint. Doch bin ich nicht ganz der selben Meinung. Ich möchte niemanden beleidigen oder sonstiges, nur meine Gedanken mitteilen. Dass es Menschen gibt die gerne mit mehreren Partnern schlafen ist meiner Meinung nach auch vollkommen oke. Doch lässt mich der Gedanke nicht los, dass viele lieber Polygam sind, weil sie über die Zeit süchtig geworden sind. Süchtig nach den Glückshormonen die ausgeschüttet werden wenn man frisch verliebt ist. Ein Rausch, der möglichst nie zu ende gehen soll. Es ist zu anstrengend den einen Partner den man liebt mit all seinen Facetten hinzunehmen und auch die schlechten Seiten an ihm zu lieben. Daher ist es einfacher sich mehrere Partner zu suchen und dort nur das gute „ab zu greifen“ und wenn dann mal schlechtes ans Tageslicht kommt, macht nichts denn es gibt ja noch andere Partner. Ich möchte nicht alle über einen Kamm scheren, doch bin ich der Meinung viele sind einfach nicht in der Lage sich einem Menschen so weit zu öffnen. Und Monogam zu sein muss nicht automatisch die Leidenschaft zerstören. Da die Mehrheit der Menschen sich nach einer Person sehnt, die einen versteht, für einen da ist, mit der er gemeinsam wachsen, liebe teilen und schöne Erlebnisse und eine Familie haben kann ist das denke ich der Grund, dass viele bei dem Wort Polygamie gleich abhauen. Für weiteren austausch gerne an meine Email schreiben, finde dieses Thema sehr spannend.

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