Die Fallstricke einer Fernbeziehung

Fernbeziehung
Breaking News! Ich habe einen Freund! Das Ungewöhnliche daran? Ich bin Mitte dreißig und hatte gerade mal zwei Beziehungen – eine kaputter als die andere. Zwischen diesen Beziehungen war ich jedes Mal gefühlt eine halbe Ewigkeit Single und hab die halbe Stadt gedatet. Bitte nicht falsch verstehen: Mit Dating meine ich nicht, dass jeder mal an mir naschen durfte. Ich meine das alte, altmodische Spiel: Verabreden, Essen oder was Trinken gehen und je nach Person professioneller Small Talk oder tiefgründige Gespräche. Manchmal auch beides.

Ok, ja! Ich bin auch mit dem ein oder anderen im Bett gelandet, aber meist nur, weil ich schon während des Dates gemerkt habe, dass ich nur körperliches Interesse an ihm habe. Für alle, die jetzt nur noch Bahnhof verstehen: Ich hab da so eine Regel. Wenn ich ehrliches Interesse an jemandem habe, dann versuche ich, nicht vor dem dritten Date mit ihm in die Kiste zu hüpfen. Das mache ich nicht, weil ich die Brave spielen will, sondern um mir den Beischlaf zu schenken, falls der Typ mich abturnt. Manchmal passiert es nämlich, dass sie tatsächlich so viel Bullshit von sich geben, dass ich nicht mal mehr Lust habe, das Ganze auf eine körperliche Ebene zu bringen.

Naja, und falls ich beim ersten Date merke, dass der Typ eh nix für mich ist, ich ihn aber irgendwie ziemlich heiß finde, dann nehme ich ihn zumindest mit nach Hause. Also zumindest ein guter Fick sollte dabei doch rausspringen, denk ich mir. Wobei “gut” ja auch immer dahin gestellt sei. Tja, als Single muss man halt schauen, wo man bleibt.

Gott sei dank hab ich das jetzt hinter mir! Endlich führe ich mal eine ganz normale… Fernbeziehung. Wusstet Ihr, dass jede achte Beziehung in Deutschland eine Fernbeziehung ist?!*

Eigentlich war ich immer eine Gegnerin von Fernbeziehungen. Und das aus so vielen Gründen: Man hat keinen Alltag miteinander, man kann sich nicht einfach spontan treffen, wenn einem danach ist. Kaum hat man sich aneinander gewöhnt, muss man sich schon wieder trennen und so weiter. Aber man soll ja bekanntlich niemals nie sagen.

Nachdem ich mein Kryptonit aus meiner Heimatstadt nach Jahren wieder getroffen habe, kam dann irgendwann die Frage auf, wie es eigentlich weitergeht mit uns: Weiterhin unverbindlich miteinander vögeln (was ich von meiner Seite aus vehement verneint habe, weil ich einfach zu verknallt war und wusste, dass ich das nicht mehr kann), den Kontakt abbrechen oder einfach mal eine Beziehung ausprobieren. Was hätten wir schon zu verlieren!

Gesagt, getan. Wir befinden uns nun im dritten Monat. Und ja, es ist schwierig. Grundsätzlich bin ich kein Mensch, der seinen Freund 24 Stunden, 7 Tage die Woche um sich braucht, aber in vielerlei Hinsicht haben wir es nun mal schwerer als andere Paare. Wo andere Paare wahrscheinlich schon das erste “Ich-liebe-Dich” ausgetauscht haben, versuchen wir, uns noch aneinander zu gewöhnen.

Jedes Mal bevor wir uns treffen, bin ich unfassbar aufgeregt (was wiederum ein Vorteil gegenüber “normalen” Beziehungen ist, weil bei uns – hoffentlich – nicht so schnell die Luft raus sein wird). Sobald er vor mir steht, kann ich nicht einfach wieder da anknüpfen, wo wir aufgehört haben, sondern muss mich erst wieder an ihn gewöhnen.

Am schlimmsten ist die Enttäuschung, wenn man schon einen Termin verabredet hatte und dann etwas Berufliches dazwischen kommt – was bisher nur einmal vorkam, aber wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein wird. Eigentlich will man böse auf seinen Partner sein, aber die kleine vernünftige Stimme in meinem Inneren ermahnt mich immer wieder dazu, vernünftig zu sein. Was wäre, wenn es andersherum wäre?! Ich würde mich schlecht fühlen, wenn mein Partner mir für etwas die Schuld gibt, wofür ich eigentlich nichts kann. Also schluckt man seine Frustration runter und lässt sie gegebenenfalls an anderer Stelle raus – an der besten Freundin oder am neuen Liebesspielzeug zum Beispiel.

Eigentlich weiß ich, dass das nicht gut ist. Die Gefahr, dass sich mein Frust von Mal zu Mal ansammelt, ist groß. Ich müsste meinem Ärger freien Lauf lassen, egal, ob er angebracht ist oder nicht. Denn je mehr ich “schlucke”, desto eher sammelt sich der Groll. Und wenn jeder sich Stück für Stück zurückzieht, ist es meist schon zu spät. Gut, Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung. Ich arbeite also daran.

Nächstes Problem: der Abschied. Es ist ein Wechselbad der Gefühle – jedes Mal. Und jedes Mal fühlt es sich an wie ein kleiner Tod. Bereits am Tag der Abreise hängt dieses Gefühl von “gleich-geht-er-und-dann-bin-ich-wieder-allein” in der Luft und gibt dem restlichen Tag einen faden Beigeschmack. An dieser Stelle kann es eigentlich nur zu zwei möglichen Reaktionen kommen: Klammern oder sich von seinem Partner distanzieren. Ich bin da eher der Typ 2 – schon immer gewesen. Wahrscheinlich aus Selbstschutz. Was ich von mir weg schiebe, kann mir nicht wehtun. Und trotzdem erliege ich dann doch immer öfter dem Sonntagsblues.

Wie gesagt: Es ist manchmal eine Qual. Wie gut, dass ich so viele fantastische Freunde habe, die mich regelmäßig ablenken und mit denen ich mir meine Zeit versüßen kann. Wieder ein Vorteil gegenüber “normalen” Beziehungen: Ich habe tatsächlich Zeit für meine Freunde und ein eigenes Leben, auf das ich so viel Wert lege. Ich denke, selbst wenn mein Freund hier bei mir wäre, wäre es unfassbar wichtig, dass jeder für sich trotzdem seine eigene kleine Welt hat. Wäre ja schlimm, wenn wir ab sofort wirklich ALLES miteinander machen würden, wie Siamesische Zwillinge.

Ganz nüchtern betrachtet, glaube ich trotzdem, dass wir uns nicht schlecht schlagen. Aus reiner Neugierde habe ich mir Artikel wie mit Tipps für eine erfolgreiche Fernbeziehung durchgelesen und muss feststellen: Ja, wir beide sind Naturtalente – 8 von 10! Bäm!


Unsere Autorin
Bei der Wahlberlinerin Hasret „Hasi“ Doe ist ihr Name Programm, denn „Hasret“ bedeutet so viel wie „Sehnsucht“. Liest man ihre Texte, ergibt alles einen Sinn. Sie sind geprägt von einer Sehnsucht nach Liebe, Leidenschaft, Zugehörigkeit und so treffen ihre Worte mitten ins Herz.

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