Einvernehmlicher Sex und Konsens – hier erfahrt Ihr alles über dieses wichtige Thema (Dainis Graveris/Unsplash)
Spätestens seit der #MeToo-Debatte ist der Begriff „sexual consent“ (zu deutsch: sexueller Konsens) in aller Munde. Und das ist auch gut so, gerade weil noch immer einige die Diskussion als überflüssig oder übertrieben abtun möchten. Denn darüber zu sprechen, mit welchen sexuellen Handlungen wir einverstanden sind, sollte nicht als Einschränkung für unser Liebesleben verstanden werden. Ein Gespräch darüber, wie wir Sex haben wollen, kann uns sogar dabei helfen, noch unbeschwerter zu lieben.
Sprüche wie „Echte Männer fragen nicht, ob sie Dich küssen dürfen, sie tun es einfach“ waren in schnulzig-schönen Rom-Coms der Neunziger und frühen 2000er gang und gäbe. Heutzutage klingt so ein Klischee natürlich nicht nur etwas abgedroschen, sondern auch ein bisschen übergriffig. Es impliziert schließlich, dass sich Männer alles nehmen dürfen, ohne dass es einer Zustimmung durch die Frau bedarf – und sie hat die stürmische Geste der Zuneigung auch zu honorieren.
Im Idealfall sind beide Parteien natürlich gleichermaßen heiß aufeinander und dann mögen der Kuss und alles weitere wild, leidenschaftlich und unvergesslich schön werden. In der Realität ist dem aber nicht immer so und es kann vorkommen, dass wir Situationen anders einschätzen als unser Gegenüber. Darum ist es so wichtig, darüber zu sprechen, was jede*r von uns möchte und wo die eigenen Grenzen sind.
Was sind Konsens und einvernehmlicher Sex?
Als einvernehmlicher Sex gelten grundsätzlich sämtliche sexuellen Handlungen, denen alle beteiligten Personen aktiv zugestimmt haben. Es besteht also ein Konsens darüber, welche Art von Sex und wie, wann und wo dieser stattfindet. Das Respektieren von persönlichen No-Gos und Bedenken ist entscheidend, wenn es darum geht, einen Konsens zu schaffen.
Außerdem sollte es immer okay sein, währenddessen mal eine Pause einzulegen oder aufzuhören, wenn Euch etwas nicht passt. Denn vielleicht mögt Ihr es nicht, wo oder wie Ihr angefasst werdet oder Ihr bemerkt, dass Ihr nach einem Abend mit ein paar mehr Drinks doch nicht mehr bereit für einen One-Night-Stand seid, obwohl Ihr zuvor noch zugesagt hattet, mit nach Hause zu kommen.
Als Sex bezeichnet man übrigens nicht unbedingt nur die reine Penetration mit Geschlechtsteilen, Sextoys, Fingern, Mund oder Händen. Auch gemeinsames Masturbieren, das Sprechen über sexuelle Fantasien, Streicheln, Massieren, Küssen oder virtueller Sex sind Handlungen, bei denen ein Konsens darüber bestehen muss, was für beide Parteien in Ordnung ist.
Sexueller Konsens ist wichtig – und die Frage danach kann Teil des erotischen Vorspiels sein
Nicht einvernehmlicher Sex
Kommt es dagegen ohne Zustimmung zu einer sexuellen Handlung, handelt es sich dabei um nicht einvernehmlichen Sex, also Vergewaltigung. Angesichts dieser klaren Aussage kritisieren manche aber: Soll ich meine*n Partner*in etwa jedes Mal um Erlaubnis fragen, bevor ich Hand anlege? Da haben wir eine Gegenfrage parat: Warum nicht? Denn auch in einer Partnerschaft ist die Lust nicht immer gleich stark und Bedürfnisse ändern sich mit der Zeit. Weil man in einer Beziehung mit einer Person ist, heißt das schließlich nicht, dass man ein Anrecht auf Sex mit ihr hat. Sich die Zeit zu nehmen und nachzufragen, signalisiert Nähe, Respekt und Verständnis. Zudem gibt es Euch die Möglichkeit, darüber zu sprechen, was Ihr Euch wünscht und worauf Ihr besonders große Lust habt.
Wichtig: Gerade bei zwanglosen Bettgeschichten mit Menschen, die Ihr noch nicht gut kennt, sollte ein ausgesprochener Konsens darüber bestehen, wie weit Ihr gehen möchtet und was erlaubt ist. So kommt es nicht zu Missverständnissen oder verletzten Gefühlen. Seid Euch auch bewusst, dass Alkohol und Drogen Einfluss darauf haben, wie Personen bestimmte Situationen einschätzen und ob sie ihre Zustimmung geben können. Wenn Ihr merkt, dass Euer Gegenüber keine guten Entscheidungen mehr treffen kann, solltet Ihr den Moment keinesfalls für sexuelle Handlungen ausnutzen.
Sinnliche Zustimmung: Sexuelle Handlung mit Einverständnis
Sexueller Konsens muss kein Stimmungskiller sein – ganz im Gegenteil! Wenn Ihr es sexy formuliert, kann auch das Fragen Teil eines sinnlichen Vorspiels werden.
Mit diesen Fragen könnt Ihr Euch vergewissern, dass Euer Gegenüber auch wirklich bereit für Sex ist:
- Darf ich Dich küssen/anfassen?
- Hast Du Lust auf Oralsex?
- Was willst Du mit mir anstellen?
- Wie wollen wir verhüten?
- Wie weit wollen wir heute gehen?
- Was wäre, wenn ich …?
- Ist es okay für Dich, wenn ich …?
- Wie denkst du über …?
- Soll ich weitermachen?
Aber auch mit einigen Aussagen könnt Ihr Euch ein Einverständnis holen:
- Sag mir, worauf Du Lust hast!
- Du machst mich so heiß – ich würde gern Deinen Körper sehen.
- Ich wäre bereit für eine kleine Nummer.
- Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn wir …
- Ich wollte ja schon immer mal …
Entscheidend ist dabei jedoch, andere nicht zu einer Handlung zu drängen und abzuwarten, wie das Gegenüber reagiert. Bei Zögern oder unsicheren Blicken fragt also besser genauer nach, ob es in Ordnung ist, wenn Ihr weitergeht – insbesondere, wenn Ihr die Person nicht gut kennt oder einschätzen könnt.
Sexueller Konsens – die wichtigsten Infos für einvernehmlichen Sex im Überblick
- Einvernehmlicher Sex besteht dann, wenn das Einverständnis ohne Druck, manipulierende Worte oder unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gegeben wurde
- Eure Meinung darf sich jederzeit ändern – wenn Ihr Euch unwohl fühlt und Situationen anders ablaufen, als Ihr sie Euch vorgestellt habt, muss Schluss sein
- Schon einmal Analsex oder anderen Sexpraktiken zugestimmt zu haben, heißt nicht, dass Ihr diese nun immer gutheißt und jederzeit möchtet
- Sprecht darüber, was Ihr konkret tun möchtet: „Lass uns ins Bett gehen“ heißt für Euch vielleicht nur zu kuscheln, für andere aber könnte es eine Einladung zum Sex bedeuten
Stillschweigen bedeutet nicht Konsens
Denkt immer daran: Es ist Euer Körper und Ihr entscheidet, was mit ihm geschieht – ganz gleich, was andere denken. In manchen Momenten kann es schwer sein, seine Meinung zu sagen. Sexueller Konsens bezieht sich aber immer auf die aktuelle Situation und nicht darauf, welche Signale Ihr früher ausgesendet habt oder wie Ihr Euch kleidet. Und das Wichtigste: Schweigen ist kein Freifahrtschein, sondern sollte vielmehr dazu einladen, offener über das zu sprechen, was beide wirklich möchten.
Wenn Ihr jetzt noch unsicher seid, was es mit dem beidseitigem Einverständnis beim Sex auf sich hat, schaut Euch doch auch dieses Video an. Darin wird am Beispiel einer Tasse Tee amüsant und einfach erklärt, was wann erlaubt ist und was man besser bleiben lassen sollte:
5 Responses
Danke für deine Worte, Alina!
Der Artikel ist zwar schon älter, aber da ich ihn heute erst gefunden habe, will ich auch gern was dazu los werden. Ich finde es gut und wichtig, dass solche Themen aufgegriffen werden. Und es hat mir auch sehr gut getan, endlich zu wissen, dass ich mit meinen Gefühlen nicht alleine bin. Ja, ich möchte gefragt werden und mein Partner tut das auch. Egal ob er mich küssen oder an bestimmten Stellen berühren will. Ich empfinde das als sehr respektvoll. Leider kann ich mich mit niemandem darüber unterhalten. Als das Thema einmal im Freundeskreis (und selbst nur unter uns Freundinnen) aufkam, fühlte ich mich wie eine Aussätzige. Es gab kein Verständnis dafür. Gleich gar nicht dafür, dass ich von meinem Mann auch erwarte, dass er mich beispielsweise beim GV fragt, ob er in mir kommen darf. Ich finde, es ist mein Körper und es ist selbstverständlich, dass ich die Kontrolle darüber habe, was mit ihm geschieht.
Danke für diesen Artikel. Es wird wohl noch lange dauern, bis sich ein breites Verständnis für dieses Anliegen durchgesetzt hat.
Wirklich erschreckend, dass die Grundprinzipien der Kommunikation hier ignoriert werden. Eine lautet, dass verbale Kommunikation nur eine Form der Kommunikation ist. Man kann auch anders kommunizieren. Eine weggeschobene Hand kann durchaus ein Nein sein, ein Lächeln oder MItmachen ein Ja.
Völlig lebensfremd vor jeder Zärtlichkeit den Partner um „Erlaubnis“ zu bitten. In was für einer kalten, leidenschaftslosen, neurotischen und bürokratischen Welt wollen wir leben? Warum nicht gleich ein schriftliches Formular? Das ist doch realtitäts- und lustfeindlich.
Kleiner Korrekturvorschlag:
„Nicht einvernehmlicher Sex“ ist Vergewaltigung. Man sollte insbesondere bei diesem Thema nicht um den heißen Brei herumreden und es einfach als das benennen, was es ist. Und wenn man dies nicht in der Überschrift des Abschnitts tun möchte, dann sollte wenigstens im Abschnitt selbst erwähnt werden, dass es sich bei nicht einvernehmlichen Sex um Vergewaltigung handelt.
Ansonsten ein super Artikel.
Eure Artikel sind wie immer hervorragend! Zu vielen Themen gebt Ihr gute sachliche Erklärungen mit etwas Witz!
Ich lerne hier viel dazu.
Schön ist, dass Ihr viele so genannte Tabu – Themen anreißt oder oder auf den ersten Blick ganz banale Dinge zur Sprache bringen, die bei näherer Betrachtung aber doch ganz wichtig sind!
Weiter so!