Silvesterpartys haben ihre ganz eigene Dramaturgie. Alles ist ein bisschen zu laut, ein bisschen zu eng, ein bisschen zu viel. Die basslastige Musik vibrierte durch die Altbauwohnung, Gläser klirrten und Gelächter drang durch die Wände. Die Feier war inzwischen laut genug, um sich komplett darin zu verlieren. Irgendjemand hatte Konfetti geschmissen, das an den Schuhsohlen klebte. Es roch nach Sekt, Parfum und diesem verheißungsvollen Versprechen, das Silvester so mit sich bringt: Heute darf alles passieren.
Sie begegneten sich an der Küchentheke, um ihre Gläser aufzufüllen.
„Ganz schön voll hier“, sagte der eine.
„Perfekt, um unterzutauchen. Ich bin gar nicht so eine Partymaus“, antwortete der andere.
„Na darauf stoßen wir an!“
Ihre Blicke trafen sich – bloß schön in die Augen schauen.
„Sieben Jahre schlechten Sex kann ich nach dem Jahr nicht auch noch gebrauchen.“
Statt sich in hohlem Smalltalk zu verfangen, ging es gleich auf eine vertraute Ebene. Sie lachten über die Hitze hier drin, über den DJ, der seine Übergänge so grandios verkackte, und darüber, wie absurd Neujahrsvorsätze eigentlich sind. Namen fielen keine. Die brauchten sie aber auch nicht. Schließlich wollten sie gerade auch zu niemandem gehören.
Einer lehnte sich rüber, gerade nah genug, um ein eindeutiges Zeichen zu setzen. „Eine Sache muss ja an Silvester sein. Mit wem küsst du um Mitternacht?“
Erst ein Zögern. Dann ein wortloses Grinsen.
Der laufende Song wurde runtergedreht, jemand rief „noch fünfzehn Minuten!“. Die Wohnung jubelte. Sie nicht. Sie hatten nur noch Augen füreinander.
Der Weg in den Flur war beiläufig. Als würden sie einfach nur frische Luft schnappen wollen oder sich wieder unter die Party-Crowd mischen wollen. Eine Tür zu einer Kammer ging auf und schloss sich wieder. Plötzlich war es stiller. Die Geräusche der Party waren wie durch Watte gedämpft.
Sanfte Annäherung
„Wenn das hier komisch ist, gehen wir einfach wieder raus“, sagte einer von ihnen.
„Und wenn nicht?“
„Dann feiern wir früher rein.“
Der erste Kuss war vorsichtig, fast überraschend sanft. Als müssten sie kurz prüfen, ob diese Anziehung nicht nur eingebildet war. Ihre Körper fühlten sich fremd und zugleich vertraut an. Sie rückten näher und die Hände fanden Rücken, Schultern und Nacken. Ihre Wärme und der zarte Schweißfilm, der sich vor Erregung und stickiger Luft gebildet hatte, übertrugen sich auf die Haut des anderen.
Der Raum war klein, eigentlich ungeeignet für irgendetwas Intimes – und vielleicht genau deshalb so perfekt für diesen Moment. Sie standen dicht beieinander – durch den kleinen Spalt der Tür drang noch gerade so viel Licht hinein, dass sie ihre Gesichter erkennen konnten. Ein Knie glitt zwischen die Beine des anderen. Ein scharfes Einatmen.
„Wie spät?“
„Noch acht Minuten.“
Die Berührungen wurden eindeutiger. Nicht hastig, aber für ein Zögern war nun keine Zeit mehr. Einer ließ die Hand tiefer gleiten, fand den Penis des anderen, spürte die pralle Reaktion auf die heiße, geheime Situation. Ein leises, atemloses Lachen drang durch die Kammer.
Sie standen sich gegenüber, Stirn an Stirn und mit einer konzentrierten Ruhe, die alle Berührungen noch intensiver machte. Aus dem Wohnzimmer hörte man Stimmen.
„Noch sechs Minuten!“
Jubel.
„Hör jetzt bloß nicht auf!“
Sie hatten sich nun beide fest in der Hand. Ihre Bewegungen fanden einen ganz eigenen Rhythmus, der beiden wahnsinnig gut gefiel. Mit ihren Händen massierten sie nicht nur die harten Stücke des Anderen. An den Pobacken gepackt zogen sie sich noch näher aneinander, sodass ihre Unterleiber beinahe verschmolzen.
„Zwei Minuten“, schrie jemand draußen.
Die Spannung zwischen ihnen war kaum noch auszuhalten. Mit tiefem Grollen und Stöhnen signalisierten sie sich, dass sich etwas Heftiges anbahnte. Sie konnten und wollten laut sein – gegen den Bass vor der Tür kamen sie ohnehin nicht an. Zwischendurch immer wieder Blicke: War es anfangs noch ein ungläubiges Passiert das gerade wirklich?, forderten sie sich nun beide mit ernster Miene auf: Hör jetzt bloß nicht auf!
Der Countdown begann. Laut. Es war jetzt unaufhaltsam.
„Zehn!“
„Neun!“
Ihre Körper waren jetzt ganz bei sich, die Hände arbeiteten von selbst. Die Nähe, der Druck, dieses Ziehen kurz vor dem Punkt, an dem man nichts mehr steuern konnte – und diese rohe Geilheit aufeinander.
„Acht!“
„Sieben!“
„Sechs!“
„Fünf!“
Der Raum schien kleiner zu werden. Sie nahmen nur noch sich und ihre Lust wahr.
„Vier!“
„Drei!“
Sie hielten den Blickkontakt. Zwei Fremde, verbunden durch nichts als diesen Moment.
„Zwei!“
„Eins!“
„Happy New Year!“
Der Höhepunkt kam als Feuerwerk, das sich unter der Haut durch den gesamten Körper ausbreitete. Keine Worte, unkontrolliertes Stöhnen, Anspannung und Loslassen. Für einen Sekundenbruchteil war alles andere egal: die Party, die Zeit, die Frage nach dem Danach.
Als sie wieder Luft bekamen, lehnten sie sich aneinander, lachten leise.
„Das war…“
„…ein ziemlich guter Anfang.“
Sie richteten ihre Kleidung, hörten das neue Jahr draußen toben. Gläser, Umarmungen, Musik.
„Wie war das mit dem Kuss?“
Ohne zu zögern fand er seinen Mund für einen ausgiebigen Zungenkuss.
„Frohes Neues.“
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(Bild: Myriam Zilles/Unsplash)