„Bedeckt halten“ scheint häufig leider immer noch die gesellschaftliche Devise zu sein, wenn es um Vulven geht. Sobald aber Penis oder Hoden zum Thema werden, sinken die Hemmungen schnell. Mutige Menschen loben wir beispielsweise gerne (und laut) dafür, dass sie „Eier in der Hose haben“. Feige Menschen? Die sind „Pussys“. Klar.
Über Vulva und Vagina wird entweder kaum gesprochen oder wenn, dann abwertend oder sexualisiert. Kein Wunder also, fehlt es vielen Menschen an Wissen über die (eigene) Vulvina, wenn dieser Körperteil nicht offen thematisiert wird. Höchste Zeit, das zu ändern! „Know your vulva. Own your pleasure“ lautet das Credo. Denn Wissen ist Macht – über die eigene Lust, aber auch über die Gesundheit und das Wohlbefinden.
Die folgenden Fakten zeigen: Der vermeintliche „Schambereich“ birgt vieles, aber keinen einzigen Grund sich zu schämen. Im Gegenteil: Vulva und Vagina haben erstaunliche Fähigkeiten! Lasst uns darüber sprechen!
Die Klito … was?
Nur 15 % der Befragten im AMORELIE SEXREPORT* haben im Sexualkundeunterricht die Funktion der Klitoris gelernt.
Klitoris: Nur die Spitze des Eisbergs
Was wir in der Alltagssprache als Klitoris bezeichnen – also der sichtbare Teil über dem Vaginaleingang – ist nur ein kleiner Teil des ganzen Organs, nämlich die Klitorisvorhaut und die darunterliegende Klitoriseichel. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, denn die Klitoris ist ein weitreichendes Organ, das etwa 10 cm lang ist und aus Muskeln, Schwellkörper und -gewebe, Drüsen, Nerven und Blutgefäßen besteht.
Die Klitoris: ein Sensibelchen
Die Klitoris verfügt über bis zu 10.000 Nervenenden. Einmal mehr gilt: sensitivity is not a weakness, im Gegenteil!
G-Punkt: (k)ein Mythos
Den G-Punkt gibt es (so) nicht. Zumindest nicht als eigenständiges Organ oder fixe Stelle in der Vagina. Sind G-Punkt-Vibratoren also ein Hoax? Nein, denn die Bauchseite der Vaginalwand ist trotzdem eine erogene Zone – weil dort die Klitoris rückseitig stimuliert werden kann.
Vagina: Feuchtigkeit bedeutet nicht (unbedingt) Erregung!
Vaginas können aus verschiedenen Gründen feucht sein (oder werden): Hormone, Medikamente, Schwitzen … Und es passiert, dass sie bei Berührung automatisch Feuchtigkeit produzieren – ohne wirkliche sexuelle Erregung. Dieses Phänomen wird „arousal non-concordance“ (Nichtkonformität der Erregung) genannt. Eine feuchte Vagina ist also nicht zwingend ein Zeichen von Lust. Und schon gar nicht von Consent!
Die Vagina ist keine Einbahnstraße!
Weder Tampons noch Sextoys können einfach so „verloren gehen“ – die Vagina wird durch den Gebärmutterhals abgeschlossen. Allerdings können Gegenstände trotzdem stecken bleiben und vergessen werden.
Vulva ohne Vagina?
Ein weiterer Grund, weshalb es wichtig ist, den Unterschied zwischen Vulva und Vagina zu kennen: Etwa 1 von 4.500 Babys wird zwar mit Vulva, aber ohne Vagina (und ohne Gebärmutter) geboren. Oft wird dies erst während der Pubertät entdeckt, wenn die Menstruation ausbleibt.
Diese Fehlbildung wird Mayer-Roktiansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKH-Syndrom) genannt.
Geburtsverletzungen passieren vielen
41 % der befragten Mütter gaben im AMORELIE SEXREPORT an, sich nach der Geburt beim Sex unwohl zu fühlen aufgrund von Verletzungen an Vulva und Vagina. Geburtsverletzungen geschehen häufig – darüber sprechen aber (zu) wenige.
Vagina: eine wahre Anpassungskünstlerin
Die Vagina verändert sich über die Zeit, mit zunehmendem Alter, aufgrund von hormonellen Änderungen, bei der Geburt … Aber auch kurzfristig kann sie sich anpassen und sich beispielsweise um bis zu 200 % vergrößern.
Vulva: immer mehr kosmetische Eingriffe
Im Jahr 2021 wurden rund 12.000 chirurgische „Vulvakorrekturen“ in Deutschland durchgeführt. Das sind doppelt so viele wie noch 2016 und mittlerweile werden diese Eingriffe von Ärzt*innen häufiger durchgeführt als Botoxbehandlungen oder Lippenkorrekturen.
Wichtig: Diese Eingriffe können aber auch medizinisch begründet sein und dienen nicht immer nur ästhetischen „Korrekturen“. Größere Vulvalippen können beispielsweise wund werden oder einreißen und so Beschwerden auslösen.
Menstruation: no bloody clue?
Nur 37 % haben gemäß AMORELIE SEXREPORT im Aufklärungsunterricht gelernt, wie die Menstruation funktioniert.
Genitalien: viele Unterschiede, noch mehr Gemeinsamkeiten
Unsere Genitalien bestehen aus dem gleichen Gewebe, das sich erst in der 12. Schwangerschaftswoche geschlechtsspezifisch zu differenzieren beginnt. Penis und Klitoris entstehen so jeweils aus dem gleichen Ursprungsgewebe, ebenso entwickeln sich Hodensack und die äußeren Vulvalippen aus den gleichen Zellen.
Vagina: Vorsicht, bissig?
Im Mittelalter predigten religiöse Fanatiker*innen, dass die Vagina mit scharfen Zähnen ausgestattet sei.
Zeitlos schöne Vulvakunst
Die Vulva wurde schon in prähistorischen Zeiten künstlerisch verewigt. In Queensland, Australien gibt es eine ganze Wand, in die Darstellungen eingeritzt sind – die „The Wall of One Thousand Vulvas“.
* AMORELIE Sexreport 2024, repräsentative Onlinebefragung in Deutschland, Österreich und der Schweiz (n=2052) in Zusammenarbeit mit Trend Research.