Hose oder Rock? Lang, kurz? Als wäre der erste Tag in einer neuen Firma nicht schon aufregend genug, geht es bei diesem Job ausgerechnet um einen Sexshop! Na gut, speziell für Frauen, aber nichtsdestotrotz geht es hier, milde formuliert, ums „Liebemachen“ oder wie man es auch immer nennen mag. Erschwerend kommt hinzu, dass ich die Kollegen, die mir in einer Stunde gegenüberstehen werden, bisher nur vom Telefon her kenne. Da fällt die Wahl für das richtige Outfit umso schwerer. Ist das kleine Schwarze etwas zu knapp? Oder sogar noch zu viel?
„Ist das kleine Schwarze doch noch etwas zu viel?“
Aber vielleicht erstmal kurz zu mir: Ich bin Fiona und habe vor 3 Tagen mein gemütliches Leben (inklusive Exfreund, aber das ist eine andere Geschichte) in Köln verlassen, um vom Schreibtisch meines neuen Berliner Büros aus für frischen Wind in deutschen Schlafzimmern zu sorgen. In schriftlicher Form, versteht sich. Alles kein Problem, denn als Modejournalistin versteht man schließlich eine ganze Menge von den Dingen, die uns Frauen das Leben verschönern. Seien es Designerschuhe, -taschen oder eben Designer-Sexspielzeug: Sie machen uns glücklich, lassen uns nie im Stich und vor allem: Wir können nie genug davon haben!
Zurück zum Thema: Während ich also im Ankleidezimmer (Jaaa! Ein Ankleidezimmer!) meiner Neuköllner „Traumwohnung mit Retrocharme über den Dächern Berlins“ (wobei ‚Dächer Berlins‘ wohl meint ‚hoch genug, um den Dönerladen im Erdgeschoss fast nicht mehr riechen zu können‘) den Inhalt meiner Umzugskartons über den Fußboden verteile, spielt das Gedankenkarussell über meinen neuen Job verrückt: Platinblondinen mit Schlauchbootlippen in engen Miniröcken hacken mit bunten Plastiknägeln auf ihre Tastaturen ein, benebelt vom Geruch süßlicher Parfums und aphrodisierender Duftkerzen …
„Platinblondinen mit bunten Plastiknägeln?“
Nein halt, darum geht es ja gerade nicht! Es geht um Dinge, die Spaß machen, für Frauen, die neben dem ganzen Alltagsstress einfach mal abschalten wollen, sich mit schönen Dingen umgeben oder eine unbeschwerte Zeit mit dem Objekt ihrer Begierde (ob das jetzt der Toyboy, oder einfach nur ein Sex-Toy ist) verbringen wollen. Frauen wie mich: Die wissen und sich nehmen, was sie wünschen – ganz offen und selbstbewusst.
Und genauso selbstbewusst verabschiede ich mich von dem nichtsahnenden Taxifahrer (obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass man mir meinen neuen Job ansieht – wir sind hier in Berlin, arm aber verdammt sexy, was mache ich mir überhaupt Sorgen?) und schwinge mich die 3 Etagen hoch in das Büro, das in Zukunft mein kreatives Zuhause sein wird. In dem ich mir den Kopf über das Sex- und Liebesleben meiner Mitmenschen zerbrechen werde. Und mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit auch über mein eigenes …
„Sex ist nicht Porno“
Die Tür öffnet sich und schon springt eine erstaunlich junge Frau von ihrem Schreibtisch auf. Meine neue Chefin. Blond ist sie schon. Allerdings nicht platinblond. Und glücklicherweise bestätigen sich auch meine restlichen anfänglichen Befürchtungen nicht. Weder bei ihr, noch bei den anderen Anwesenden. Alles völlig normal. Es wird wohl Zeit, mit Vorurteilen aufzuräumen: Sex ist nicht Porno. Sex ist völlig normal.
Was aber genau ’normal‘ heißt, werde ich wohl noch herausfinden müssen …
Keine Lust auf Lesen? Fionas Kolumne gibt’s auch zum Zuhören: