Fetisch in der Mode – früher und heute

fetisch in der mode historisch

Historisch und zeitgenössisch betrachtet ist die Geschichte der Fetisch-Kleidung so vielschichtig wie das Leben selbst. Und auch die Modewelt hat sich in den letzten 30 Jahren einen zunehmend spielerischen Umgang mit fetischistischen Themen zu Eigen gemacht. Bislang geheime Praktiken sind in der Alltagskultur sichtbarer geworden. So sind Leder, Gummi, Latex-Moden, lange, enge Röcke, geschlitzte Kleider und Overkneestiefel – alles, wovon Fetischisten träumen – direkt bei Gaultier, Versace und Co. erhältlich. Bei uns erfährst Du, wie der Fetisch in Mode kam.

1900

  • während der viktorianischen Epoche (1837–1901) fand eine „Kultivierung der Wespentaille“ statt, besonders in Wien (berühmte schmale Taille der Kaiserin Elisabeth) und Paris
  • um 1900 hatten sich einige Geschäftsleute der Produktion und dem Verkauf von Fetischobjekten zugewandt, besonders von Korsetts und Schuhen, die man nur schwer selbst herstellen konnte („Bottier“ in London)

10er

  • um 1910 fingen jüngere, schlanke Frauen an, das Fischbeinkorsett durch Hüft- und Büstenhalter zu ersetzen
  • ältere, kräftiger gebaute Frauen entschieden sich für lange, gerade Korsetts

20er und 30er

  • Korsetts wurden fast nur noch zu erotischen Zwecken, vor allem als sexueller Fetisch, getragen
  • in den 20ern und 30ern zeigten viele pornographische Fotografien Menschen, die mit SM-Aktivitäten beschäftigt waren, in schwarzem Leder

40er

  • in den 40ern und 50ern stellten auch Maniatis Bottier in Paris und Cover Girl in London Fetischschuhe mit übertrieben hohen Absätzen und Plateausohlen her
  • kreisförmig gefaltete Körbchen waren in Mode (bis in die 50er)

50er

  • das konservative Klima nach dem 2. Weltkrieg schien einzelne Fetischisten zunehmend in den Untergrund gedrängt zu haben
  • dennoch enthielt die offizielle Mode der 50er eine ganze Reihe fetischistischer Elemente
  • daher gilt es als „das silberne Zeitalter“ des Fetischismus (nur dem „goldenen Zeitalter“ der Viktorianer unterlegen)
  • insbesondere Diors „New Look“ von 1947 brachte ein modifiziertes Mieder in die Mode zurück, in Verbindung mit Wespentaille-Miedern kamen Stilettoabsatz, der Petticoat und der spitze Büstenhalter wieder in Mode

60er

  • bis ca. 1965 existierte die fetischistische Bildwelt überwiegend im Verborgenen, etwa in Sexmagazinen
  • einige englische Unternehmen, die Gummi- oder Lederkleidung herstellten, wurden in den 60ern gerichtlich verfolgt
  • Versandkataloge boten Sachen wie „Posing Straps“, durchsichtige Shorts, Boxershorts, Windelhöschen an
  • dennoch machte Yves Saint Laurent als erster bedeutender Modeschöpfer Leder hoffähig und so kam „perverse“ Lederbekleidung auf die Laufstege, außerdem zeigte YSL schenkelhohe Krokodillederstiefel
  • Mary Quant entwarf Stiefel mit Korsettschnürung und eine Wetlook-Kollektion
  • die Fernsehserie „Mit Schirm, Charme und Melone“ war besonders daran beteiligt, Fetischmoden populär zu machen (Diana Rigg spielte Emma Peel, eine kraftvolle, sexuell attraktive Frau, deren lederner Catsuit unmittelbar von den Couture-Fetischkostümen, die John Sutcliffe von Atomage entworfen hatte, beeinflusst war) 

70er

  • die Mode der 70er hatte einen starken Unterton von perverser Erotik und sadomasochistischer Gewalt > „Terroristenschick“
  • besonders modern war Leder in den 70ern, als sowohl Homosexualität als auch Sadomasochismus an Akzeptanz gewannen
  • die Punks, die mit Bands wie den Sex Pistols assoziiert wurden, trugen besonders dazu bei, den
    Fetischismus in Mode zu bringen
  • der „style in revolt“ war ein gezielt abstoßender Stil,
    der anstößige oder bedrohliche Gegenstände wie Hundehalsbänder und Ketten in die Mode einbrachte
  • Punkfrauen bedienten sich sexueller Klischees, trugen Netzstrümpfe, Stilettoabsätze, sichtbare Korsagen und Gummiregenmäntel
  • in den 70ern wurden fetischistisch inspirierte Moden (hohe Dominastiefel, Leder, Bekleidung mit Korsettverschnürungen) selbst in günstigen Kaufhäusern, wie der amerikanischen Katalogversandhaus-Kette Montgomery Ward, angeboten
  • dennoch zögerten einige Hardcore-Fetischisten ihre Fetischausrüstungen, die sie bei Firmen wie Sealwear (spezialisiert auf Gummi) und John Sutcliffe von Atomage (Hersteller maßgeschneiderter Lederbekleidung) gekauft hatten, öffentlich zu tragen
  • der Film „La Maitresse“ zeigte von Karl Lagerfeld entworfene Leder- und Gummikostüme
  • Vivienne Westwood war die Modedesignerin, die am engsten mit den Punks verbunden war
  • 1974 gestaltete sie ihren Laden in eine eindeutige Sexboutique für SM, Bondage und Fetischgegenstände um > im Angebot hatte sie Bondage-Accessoires, Leder und exzentrische Schuhe
  • von Helmut Newton behauptet man, dass er u.a. den Fetischismus hoffähig gemacht habe > seine Fotos hatten einen außerordentlichen Einfluss, weil sie die Verbindung zwischen Sexualität und Macht fokussieren > Frauen gefiel die Vorstellung der „starken Frauen“

80er

  • die Zurückhaltung änderte sich 1983, als man Clubs für Fetischmoden eröffnete, die zum Teil von älteren Enthusiasten und am Trend orientierten jungen Leuten dominiert wurden
  • in den 80ern bildeten sich neue Richtungen
  • die Goths griffen das Interesse der Punks am Fetischismus auf und überführten es in einen kleidsameren und extravaganteren Stil
  • die Pervs hatten großen Einfluss auf die späteren Stilrichtungen (wie z.B. Cyber-Punks) und auf die Mode im Allgemeinen (hierzu gehörten Popmusiker, alternative Modedesigner wie Pam Hogg und Krystina Kitsis und die Popszene)
  • ab den frühen 80ern war Leder dann überall zu finden
  • englische Journalisten verkündeten, dass es cool sei, pervers zu sein – der Fetischismus sei in die Mode zurückgekehrt
  • in den 80ern hatte Schwarz den größten Einfluss auf die Avantgarde-Mode
  • „Power Dressing“ war der Hauptmodetrend der 80er > Business-Stil
  • Jean-Paul Gaultier entwarf Madonnas perlmuttfarbenes Satinkorsett mit klassischer Schnürung und Projektil-Brüsten

90er

  • plötzlich war BDSM nicht mehr geheim und Fetischismus nichts Außergewöhnliches mehr
  • viele Fetischclubs eröffneten > die Technobewegung kam auf, Fetischpartys wurden gefeiert
  • 1991 eröffnete der „Torture Garden“ in London („the world‘s leading fetish club”)
  • seit den ersten Partys in den 90ern ist der Torture Garden-Stil auf dem Vormarsch
  • die körperbetonte Mode sowie Bücher und DVDs findet man seitdem in jeder gut sortierten Londoner In-Boutique
  • 1992 berichtete die Vogue, dass viele der international wichtigsten Modeschöpfer ihre Anregungen aus dem Bereich der sexuellen Perversionen holten
  • selbst in den damals konservativen Modehäusern wie Dior wurden Elemente des gehobenen Striptease eingeführt, als ein Model den Laufsteg entlang kam, ihr Satin-Cape öffnete und neben einem Kollier lediglich ein juwelenbesetztes Unterhöschen sehen ließ
  • Röcke wurden bis über den Bauchnabel geschlitzt und offene Oberteile gaben den Blick frei auf rote Spitzenunterhöschen, neonfarbene Büstenhalter und hohe schwarze Strümpfe bis zum Oberschenkel
  • 1992 entward Gianni Versace eine Bondage-Kollektion, die sehr umstritten war und teilweise sogar als frauenfeindlich betitelt wurde, andere wiederum sahen sie als eine Hommage an Catwoman in der Haute Couture
  • Thierry Mugler entwarf Unterwäsche in Metall, Leder und Latex
  • trotz der steigenden Offenheit gegenüber Fetisch u.ä. wurde Madonnas Video zu „Justify my Love“ 1990 noch aus dem Musikprogramm entfernt

Heute

  • Fetischmode wurde in den letzten Jahren kommerzialisiert
  • Designer nehmen Elemente der Fetischkleidung in ihre Kollektionen auf
  • Lack, Leder, Latex sind salonfähig geworden
  • die Allgemeinheit verbindet Schwarz mit Fetischkleidung > was auch an verschiedenen, fließenden Übergängen, die mehrere Subkulturen verbindet (z.B. Gothic Style), liegt
  • Jugendliche tragen daran orientierte Kleidungsstücke und immer öfter spielt die Werbeindustrie mit diesen Motiven
  • weibliche Popstars inszenieren sich im Fetisch-Stil und scheinen damit nach einer neuen Form der erotischen Selbstdarstellung zu suchen
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